Nebenwirkungen
dann tat sie jedenfalls nie so als ob. Doch was konnte ich schon erwarten? Ich lebte mit ihrer Tochter zusammen. Lebte ehrbar mit jemandem in einer zivilisierten Gesellschaft zusammen, in der bestimmte Tabus beachtet werden. Was stellte ich mir schließlich eigentlich vor, was diese Frau sei? Irgendein verworfener Vamp aus dem deutschen Film, der den Liebhaber seines eigenen Kindes verführt? Ehrlich, ich bin sicher, ich hätte allen Respekt vor ihr verloren, wenn sie Gefühle für mich gestanden oder sich irgendwie anders als unnahbar verhalten hätte. Und trotzdem war ich wahnsinnig vernarrt in sie. Das steigerte sich zu echtem Verlangen, und entgegen aller Logik betete ich um irgendeinen winzigen Fingerzeig, daß ihre Ehe doch nicht so vollkommen sei, wie es schien, oder daß Emily, sollte sie auch widerstehen, sich unsterblich in mich verliebt hätte. Es gab Zeiten, da liebäugelte ich mit dem Gedanken, selber einen halbherzigen Angriff zu unternehmen, aber da formten sich vor meinem geistigen Auge Riesenüberschriften in der Regenbogenpresse, und ich zuckte entsetzt vor jeder Tat zurück.
In meiner Qual wünschte ich so dringend, ich könnte diese verworrenen Gefühle Connie offen und ehrlich auseinandersetzen und beim Ordnen dieses qualvollen Durcheinanders yon ihr Hilfe erhoffen, aber ich fühlte, das führte nur zu einem Blutbad. Und statt mich männlich und aufrichtig zu benehmen, schnupperte ich wie ein Frettchen nach Winken und Zeichen herum, aus denen ich Emilys Gefühle mir gegenüber erschließen könnte.
"Ich bin mit deiner Mutter in der Matisse-Ausstellung gewesen", sagte ich eines Tages zu Connie.
"Ich weiß", sagte sie. "Es hat ihr großartig gefallen."
"Sie ist eine beneidenswerte Frau. Scheint glücklich zu sein. Eine gute Ehe."
"Ja." Pause.
"Also, äh - hat sie irgendwas zu dir gesagt?"
"Sie sagte, ihr zwei hättet hinterher ein phantastisches Gespräch gehabt. Über ihre Fotografien."
"Ja, richtig." Pause. "Sonst noch was? Über mich? Ich meine, ich hatte das Gefühl, ich könnte ihr vielleicht auf die Nerven gehen."
"Lieber Gott, nein. Sie betet dich an."
"Ja?"
"Danny verbringt mehr und mehr Zeit mit Dad, da sieht sie dich halt irgendwie als einen Sohn an."
"Ihren Sohn?!" sagte ich erschüttert.
"Ich denke, sie hätte gern einen Sohn gehabt, der so interessiert an ihrer Arbeit ist wie du. Ein echter Kamerad. Mehr dem Geistigen zugeneigt als Danny. Ein bißchen einfühlsamer ihren künstlerischen Bedürfnissen gegenüber. Ich denke, du erfüllst diese Rolle für sie."
An dem Abend war ich miserabel gelaunt, und während ich mit Connie zu Hause vor dem Fernseher saß, sehnte sich mein Körper wieder schmerzlich danach, sich in leidenschaftlicher Zärtlichkeit gegen diese Frau zu drücken, die mich offenbar als nichts Gefährlicheres betrachtete denn als ihren Sohn. Oder doch nicht? War das nicht bloß eine vage Vermutung Connies? Könnte Emily nicht hingerissen sein, wenn sie dahinterkäme, daß ein Mann, viel jünger als ihrer, sie schön und sexy und bezaubernd finde und sich danach sehne, mit ihr eine Affäre zu haben, die etwas ganz anderes wäre als eine unbestimmte Sohnbeziehung? Bestand nicht die Möglichkeit, daß eine Frau in ihrem Alter, besonders eine, deren Mann nicht übermäßig empfänglich für ihre tiefsten Empfindungen war, die Aufmerksamkeit eines leidenschaftlichen Bewunderers willkommen hieße? Und könnte ich nicht vielleicht, in meiner kleinbürgerlichen Vergangenheit befangen, zu viel Wesens um den Umstand machen, daß ich mit ihrer Tochter zusammenlebte? Schließlich kommen merkwürdigere Dinge vor. Sicherlich unter Temperamenten, die mit tieferer künstlerischer Inbrunst begabt sind. Ich mußte die Angelegenheit lösen und endlich einen Schlußstrich unter diese Gefühlsregungen setzen, die die Ausmaße einer Zwangsvorstellung angenommen hatten. Die Situation forderte einen zu schweren Tribut von mir, und es war Zeit, daß ich handelte oder mir die Sache aus dem Kopf schlug. Ich beschloß zu handeln.
Vergangene erfolgreiche Feldzüge legten mir sogleich die geeignete Marschroute nahe. Ich würde sie ins "Trader Vic’s" lotsen, diese dämmrige, narrensichere polynesische Vergnügungshöhle, wo es dunkle, verheißungsvolle Winkel in Hülle und Fülle gab und trügerisch milde Rumdrinks die wilde Lust aus ihrem Kerker freiließen. Ein paar Mai Tais, und es liefe wie gehabt. Eine Hand auf das Knie. Ein plötzlicher ungestümer Kuß. Ineinander verschlungene
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