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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Entlassung. Karl hing an ihren Lippen. Als sie fertig war, stieß er einen Pfiff aus. »Soso. Unser alter Wohltäter hat das also bewerkstelligt.« Er schüttelte den Kopf. »Kaum zu glauben, aber er hat seine Finger mittlerweile wohl überall drin.« Cynthia hielt den Kopf schief. »Warum so zynisch? Du hast ihm schließlich auch einiges zu verdanken. Hat er dir nicht diese Werkstatt vermittelt?«
    Karl trank den Rest und stellte das Glas umgedreht auf den Werktisch. »Oh ja. Diese Werkstatt, meine monatlichen Finanzspritzen und die Ausstellungen. Er hat sogar dafür gesorgt, dass ich demnächst ins Stiftungsprogramm für Kulturförderung aufgenommen werde. Das würde bedeuten, ich wäre finanziell unabhängig und könnte mich endlich mal an größere Objekte wagen. Davon träume ich schon lange.« »Aber das ist doch großartig«, sagte Cynthia. »Das wäre dein Durchbruch. Nichts könnte dich dann noch aufhalten.« Karl zögerte. Sosehr er es genoss, Cynthias Bewunderung zu erfahren, so sehr war er sich der tatsächlichen Situation bewusst. Langsam schüttelte er den Kopf. »Ich wünschte, es wäre so.«
    Cynthia blickte ihn fragend an. »Warum bist du nur so pessimistisch? Es gibt doch keinen Grund dazu.« Karl seufzte. »Es muss schrecklich unfair klingen, aber ich hätte es gerne allein geschafft, verstehst du? Aber so ist es nicht. Ohne ihn säße ich wahrscheinlich immer noch auf der Straße - und du noch im Knast.«
    »Da hast du verdammt noch mal recht«, sagte sie. »Aber statt ihm Vorwürfe zu machen, solltest du ihm dankbar sein. Soweit es mich betrifft, hat er nie irgendwelche Forderungen gestellt.« »Bei mir auch nicht. Aber ich wünschte, er hätte. Vielleicht würde ich mich dann nicht ganz so beschissen fühlen.« »Ich bin jedenfalls froh, wieder draußen zu sein«, sagte Cynthia. »Du ahnst nicht, wie es ist, wenn man wie ein Tier hinter Gittern lebt. Es ist mir scheißegal, wie er es gedeichselt hat. Ich bin frei, das ist alles, was zählt. Und ich finde es nicht in Ordnung, dass du ihm das anlastest. Und wenn er schon keine Forderungen stellt, so sind wir ihm doch einigen Dank schuldig, verstehst du?«
    Brummig trank er noch einen Schluck aus seinem Glas. »Hast ja recht. Ich wünschte bloß, wir bekämen mal eine Gelegenheit, uns bei ihm zu revanchieren. Ich glaube, dann würde ich mich besser fühlen.«
    »Nur keine Eile«, sagte Cynthia. »Irgendwann ist es so weit. Glaub mir.« Sie stand auf, legte ihre Jacke ab und streckte sich. Karl konnte die Augen nicht von ihr lassen. Sie sah einfach zum Anbeißen aus.
    »Hast du eigentlich gerade eine Freundin oder einen Freund?«, fragte sie mit schelmischem Blick.
    »'ne Menge«, antwortete er. »Sie werden dir gefallen, sind echt schräge Typen dabei. Wenn du willst, stelle ich sie dir bei Gelegenheit vor.«
    Cynthia lächelte geheimnisvoll. »Du hast mich missverstanden. Ich meine nicht solche Freunde.«
    Karl runzelte die Stirn. »Meinst du, ob ich mit jemandem zusammen bin?« Er schüttelte den Kopf. »Momentan nicht. Mit mir hält es niemand lange aus.« »Gut.« »Wieso?«
    »Zwölf Jahre sind eine verdammt lange Zeit ... so ganz ohne Lover ...«
    Karl war froh, dass er sein Glas inzwischen abgestellt hatte, er hätte es sonst vielleicht fallen lassen.
    Ihm begann warm zu werden unter seinem Pullover. »Du hast doch nicht etwa vor, mich zu verführen?« Cynthia stellte sich vor ihn, nahm seine Brille ab und küsste ihn auf den Mund. Ihre Hand wanderte hinab zum Gürtel seiner Jeans. Er fühlte, dass ihm der Alkohol zu Kopf stieg. Oder war es etwas anderes?
    »Langsam, langsam«, sagte er und trat einen Schritt zurück. »Nicht, dass ich keine Lust hätte, aber wie lange kennen wir uns jetzt? Fünfundzwanzig Jahre? Eine halbe Ewigkeit. In der ganzen Zeit hatte ich nie den Eindruck, dass du dich sonderlich für mich interessierst.«
    »Vielleicht hast du nur die Signale nicht erkannt.« Mit einem Lächeln setzte sie sich auf die Tischkante und begann, die Stiefel aufzuschnüren. »Du bist ein guter Freund. Wir sind beide frei und ungebunden, können tun und lassen, was wir wollen.« In ihren Augen war ein aufreizendes Glitzern zu erkennen. »Wie sieht's aus: Hast du da oben ein Bett?« Karl hielt den Kopf schief. »Klar.« »Gut.«
    »Nur noch eine Frage: Habe ich eine Wahl?« Sie grinste. »Nein.«
     
     
10
     
    Kurz hinter Halle, auf der A 14 Richtung Norden fahrend, sah Hannah bereits die ersten Ausläufer des Harzes am Horizont

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