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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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beeilen. Es wird bald Regen geben.« Er deutete nach Westen auf eine dunkle Wolkenbank, die rasch näher zog.
     
     
17
     
    Der Regen prasselte gegen die Scheiben des Hotelzimmers. Michael hatte Hannah mit seinem Auto vor dem Hotel abgeliefert und ihr telefonisch bei einem chinesischen Imbiss schnell etwas zu essen bestellt. Als der Bote mit der gut gefüllten Papiertüte erschienen war, hatte Michael sich verabschiedet. Jedoch nicht, ohne sie zu fragen, ob er sie morgen im Museum besuchen dürfe. Die Frage kam unerwartet, und Hannah hatte einige Minuten gebraucht, um sich zu entscheiden. Eigentlich war es verboten, Außenstehenden Zutritt zu der Himmelsscheibe zu gewähren, aber am heutigen Tag war Michael zu so etwas wie ihrem Mitarbeiter geworden. Immerhin hätte sie diese Höhle ohne seine Hilfe nie gefunden. Durch ihn hatte sie einen ersten konkreten Anhaltspunkt für die Entschlüsselung der Sternenkarte. Die Höhle war ganz unzweifelhaft bewohnt gewesen. Hier hatte jemand vor sehr langer Zeit etwas in den Felsen geritzt, dessen war sie sich sicher. Die Spuren im Fels waren viel zu regelmäßig, um natürlichen Ursprungs zu sein. Außerdem - und das wog vielleicht noch schwerer - konnte sie es kaum abwarten, ihn wiederzusehen. As die Tür hinter ihm zufiel, durfte sie sich endlich in Ruhe dem Essen widmen. Die gebratene Ente mit Gemüse und Reis war scharf, schmeckte aber ausgezeichnet. Eine Ewigkeit schien vergangen zu sein, seit sie etwas Anständiges zu sich genommen hatte. Gierig futterte sie sich durch die Köstlichkeiten, bis die Pappschachtel leer war. Sie benahm sich wie jemand, der kurz vorm Verhungern war. Wie gut, dass sie in der Abgeschiedenheit ihres Zimmers keinen Wert auf Etikette legen musste. Nicht die kleinste Nudel ließ sie übrig. Zufrieden spülte sie das Festmahl mit einem großen Schluck aus der Bierflasche hinunter. Dann schob sie die Verpackung nebst Plastikgabel und Serviette in den Papierkorb, angelte sich die Fernbedienung des Fernsehers und zappte sich durch die Programme. Irgendetwas Seichtes, das wäre es jetzt gewesen. Nach nicht mal acht Kanälen fielen ihr die Augen zu.
    Irgendwann tief in der Nacht erwachte sie. Ein bleicher Vollmond drang durch ihr Fenster und zeichnete ein geisterhaftes Rechteck auf den Teppich. Der Fernseher lief immer noch. Irgendeine blödsinnige Talkshow. Hannah sah sich um und fand die Fernbedienung links neben sich. Ein Knopfdruck, und der Bildschirm wurde schwarz. Hannah sah sich um. Die Uhr auf dem Schreibtisch behauptete, es sei kurz nach drei. Mit schweren Gliedern erhob sie sich und ging zur Minibar. Als sie etwas Mineralwasser getrunken hatte, war sie hellwach. Ihre Müdigkeit war wie weggefegt. Jetzt würde es mindestens eine Stunde dauern, bis sie wieder schlafen konnte. Missmutig stand sie wieder auf, ging zum Tisch, klappte ihr Notebook auf und schaltete es an. Kaum war der Rechner hochgefahren, blinkte auch schon das Symbol für mehrere empfangene E-Mails. Absender: John Evans.
    Hannah runzelte die Stirn. Fünf Stück? Wäre es nur die eine Nachricht gewesen, hätte sie es ja verstanden, aber gleich so viele? Was hatte er denn diesmal wieder auf dem Herzen? Schnell erkannte sie, dass nur eine wirklich von Interesse war. Die restlichen vier dienten mehr oder weniger der Ermahnung, doch endlich ihren Account abzurufen. Es war ganz offensichtlich, dass er auf irgendetwas gestoßen war. Obwohl sie es sich selbst nicht eingestehen wollte, so verspürte sie doch eine gewisse Aufregung beim Öffnen der Mail. Es war wieder ein Bild. Keine Karte diesmal, auch keine Abbildung der Himmelsscheibe. Diesmal war es etwas gänzlich anderes. Eine einfache Detailaufnahme. Das Foto einer Steintafel.
    Genaugenommen war nur die rechte untere Ecke zu sehen, doch eine Streichholzschachtel, die der Fotograf wohlweislich danebengelegt hatte, offenbarte, dass es sich um ein Objekt von beträchtlicher Größe handeln musste. Ein Kalkstein vielleicht. Das helle Material ließ Schlüsse in dieser Richtung zu. Viel interessanter als sein geologischer Hintergrund aber war seine Beschaffenheit. In die Oberfläche war eine Zeichnung eingeritzt. Eine Zeichnung, die beträchtliche Erosionsspuren aufwies. Trotzdem ließ sich erkennen, dass hier eine Art Ritual dargestellt war. Eine Figur, die an einen Priester erinnerte, stand vor einer Säule oder Stele, auf deren Spitze eine vertraute Form zu erkennen war. Hannah spürte, wie ihr das Herz in der Brust schlug. Das

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