Nebular Sammelband XL 1 - Aufbruch der Menschheit (Episode 1-30 - "Die Große Erschütterung")

Obwohl mehr als fünfzig Chots über verschiedenste Themen brüteten und die bereitgestellten Terminals nutzen, wirkte die Mediathek bestenfalls wie ein zur Andacht genutzter Gebetsraum. Die Einrichtung war schlicht und die Studenten arbeiteten äußerst diszipliniert und konzentriert. Manche von ihnen, beschäftigten sich mit verschiedenen Wissensdisziplinen gleichzeitig.
    Direkt neben Ramirs Display flammte plötzlich ein kleines Subsystem auf, welches Skinnas Gesicht erkennen ließ. Die Progonautin legte ihren Finger auf die Lippen und blendete ein Textfeld ein, auf dem zu lesen war:
Ich will Dich nicht stören und die anderen Chots auch nicht. Sag mit nur eins: Wann kommst Du nach Hause?
    Ramir lächelte, sah sich kurz um und heftete sich den Gedankensensor an die linke Schläfe. Skinna konnte nunmehr lesen, was er dachte.
    Ich recherchiere ein wenig in unserer Vergangenheit. Wusstest Du zum Beispiel, dass nirgendwo dokumentiert ist, wo die progonautische Rasse überhaupt ihren Ursprung hat? Wer waren die Urprogonauten, die unsere fünf Hauptwelten besiedelten und woher kamen sie?
    Skinna schürzte leicht die Lippen und antwortete ebenfalls über gedanklich umgesetzte Schriftsymbole:
Solltest Du Dich nicht besser über Raumschiffbau und die Funktionsweise von Überlichtantrieben informieren, als Dich mit derartigen Fragen zu beschäftigen? Du wirst am Ende noch vor den Mentoren versagen! Du bist kein Historiker oder Archäologe, sondern möchtest einmal ein Kampfschiff kommandieren.
    Ramir blitzte seine Partnerin missbilligend an.
    Warum denkst Du so etwas? Ich sagte Dir doch, dass ich für die Prüfungen bereit bin. Aber es gibt Fragen, die mich zurzeit mehr beschäftigen.
    Schon wieder Fragen
, kam es mit leichtem Vorwurf über die Kommunikationsleitung zurück.
    Ramir beförderte den Sub-Holo mit einer Geste seiner Hände in eine Position, die von seinen Tischnachbarn nicht eingesehen werden konnte, bevor er in Gedanken antwortete.
    Ja, ich habe Fragen. Warum hat der Herrscher von India sich so viele Jahre nicht in der Öffentlichkeit gezeigt? Warum gibt es nur wenige Progonauten, die ein hohes Alter erreichen und wohin verschwinden sie, bevor sie alt und weise werden? Kennst Du irgendeinen Studenten, der die Prüfungen der Mentoren nicht bestanden hat und heute noch in Kalmot lebt?
    Skinna wirkte einen Moment nachdenklich, bevor sie antwortete:
Ich weiß nicht, warum der Herrscher so lange schweigt, aber er muss sich nicht vor uns rechtfertigen. Bestimmt halten ihn wichtige Geschäfte ab. Die älteren und erfahrenen Mitbürger werden genau dort gebraucht, wo Du die ganze Zeit über auch sein möchtest – im All und auf den Kolonien unseres Volkes! Ich weiß von keinem Studenten, der sich nach seinen Prüfungen noch immer in Kalmot aufhält, aber ich kenne den Grund dafür.
    Ramir sah überrascht auf.
Tatsächlich? Welcher Grund soll das sein
?
    Weil alle diese Progonauten ihre Prüfungen bestanden haben. So einfach ist das
, antwortete Skinna sofort.
Ich hoffe, Du machst unserer Familie keine Schande.
    Ich melde mich, sobald ich hier fertig bin
, brach Ramir das Gespräch abrupt ab. Er war wegen Skinnas mangelnder Unterstützung etwas verstimmt, machte ihr aber keinen direkten Vorwurf.
Sie will nur das Beste für mich
, dachte der Chot.
Ihre Erwartungen an mich spiegeln auch ihre Erwartungen an die gemeinsame Zukunft wieder.
    Ramir lenkte seine Konzentration wieder auf die Datenbank der Mediathek und formulierte eine neue Abfrage: Nenne mir Ziel und Bestimmungsort der KHALIMAR …
    Doch die Antwort des zentralen Archivrechners fiel nicht wie erwartet aus:
    … Keine Daten verfügbar …
    Ramir stutzte.
    Das System wird in Echtzeit aktualisiert. Ich sah das Schiff mit eigenen Augen starten!
    Der Progonaut versuchte es erneut: Datenblatt und Besatzungsliste der KHALIMAR…
    … Keine Daten verfügbar …
    Der junge Chot wählte nun bewusst eine einfache Abfrage.
    Nenne mir die Schiffsbauwerft und den Chefentwickler der KHALIMAR …
    Doch erneut antwortete das System: … Keine Daten verfügbar …
    »Gibt es ein Problem?«, wurde Ramir plötzlich leise angesprochen. Die Stimme war wie ein Flüstern.
    Einer der Mentoren, hier in der Bibliothek?
Ramir war plötzlich wie elektrisiert.
    Verwirrt antwortete er ebenfalls flüsternd: »Herr, bestimmte Daten, die ich einsehen möchte, sind nicht abrufbar. Ich vermute einen Systemfehler.«
    Der junge Progonaut wagte nicht, sich umzudrehen. Ramir spürte einen kalten