Nebular Sammelband XL 1 - Aufbruch der Menschheit (Episode 1-30 - "Die Große Erschütterung")
er wenige Minuten zuvor auf dem Holodisplay der Bibliothek gesehen hatte – doch alles wirkte normal. Der Vorplatz, die Stadt, ja der ganze Planet lagen friedlich vor ihm.
Ramir schloss kurz die Augen.
Was geht hier vor? Was passiert mit mir?
Du erkennst langsam die Wahrheit, junger Progonaut.
Ramir zuckte zusammen. Da war sie wieder, diese Stimme in seinem Kopf.
Du bist kein Mentor
, dachte Ramir und hielt den Atem an.
Du sendest mir Gedankenbotschaften
.
Kein Progonaut, weder Mentoren, Chots noch der Herrscher von India, besitzen solch eine Fähigkeit. Gib dich endlich zu erkennen! Wer bist Du wirklich und was willst Du von mir?
Aus den Augenwinkeln wurde Ramir auf eine Bewegung aufmerksam und ruckte herum. Keine fünf Meter entfernt, trat ein Individuum hinter einer der großen Portalsäulen hervor. Ramir straffte sich. Ihn überfiel keine Panik, denn er hatte längst mit einer neuen Begegnung gerechnet.
Der Außerindische!
Der Fremde ignorierte alle Progonauten, genau wie auch er von allen Chots übersehen wurde, die sich in seiner direkten Umgebung aufhielten. Selbst jene, die zu seinen Füßen auf den Stufen des Portals saßen, sahen nicht einmal auf, als er langsam an ihnen vorbeiging.
Du musst ein Geist sein
, dachte Ramir erschrocken und zog sich ein paar Schritte zurück.
Bist Du gekommen, um mich ins Totenreich zu holen?
»Das ist mystischer Unsinn, junger Student!«, sprach der Unbekannte in klar verständlichem Progonautisch. »Ich will dir nichts tun, sondern nur mit dir reden.«
Ramir zuckte bei den laut ausgesprochenen Worten leicht zusammen. Die Stimme des Fremden klang tief und energisch. Sie ließ keinen Widerspruch zu.
»Das ist unmöglich! Ich muss Tagträume haben! Du bist nicht real! Fremde deiner Spezies habe ich noch niemals auf India gesehen! Was willst Du von mir?«
Ramir hielt den Atem an. Die dunklen Augen des Unbekannten richteten sich auf ihn und musterten ihn offen. Der junge Chot erwiderte den Blick unsicher, war aber dennoch von der Erscheinung des Fremden fasziniert. Der Außerindische war im Gesicht und am Hals stark behaart. Arme und Beine zeigten, dort wo sie nicht von dem lederartigen Körperpanzer bedeckt waren, starke Behaarung. Die Stirn des Unbekannten ragte leicht nach vorn, sein Körperbau war muskulös und äußerst kräftig, aber durchaus progonautisch. Ramir erkannte mit einem Blick, dass er dem Fremden körperlich weit unterlegen war. An einen Zweikampf war nicht zu denken. Trotz des archaischen Aussehens wirkte der Unbekannte hochintelligent, aufmerksam und tatkräftig. Der Fremde registrierte Ramirs Unsicherheit und zeigte seine gelblichen Zähne. Die Geste wirkte auf den Chot zusätzlich bedrohlich.
»Wie ist es möglich, dass hier niemand außer mir von dir Notiz nimmt? Sie müssen dich doch sehen!«, fragte Ramir mit einem Anfall von Verzweiflung und rief die folgenden Worte laut in die Menge der Studenten hinein. »Seht ihr ihn nicht?«
Doch keiner der Progonauten und Chots reagierte auf Ramirs verzweifelten Versuch, Aufmerksamkeit zu erhalten.
Resigniert ließ Ramir die Schultern sinken. »Bist Du nur ein Erzeugnis meiner Phantasie? Hat Skinna vielleicht doch Recht und ich benötige ärztliche Hilfe?«
»Wie Du siehst, nehmen die Anderen auch von dir keine Notiz. Also ist es nicht ungewöhnlich, dass sie mich nicht beachten. Reicht dir diese Antwort aus?«, grollte der Unbekannte und klang dabei fast belustigt.
»Nein! Es reicht nicht aus! Woher kommst du? Bist Du ein offizieller Besucher oder Abgesandter eines befreundeten Volkes? Vielleicht auf India angekommen, um eine Audienz bei unserem Herrscher zu erhalten? Von welcher Welt stammst du? Welchem Volk gehörst Du an? Haben wir schon lange Kontakt mit euch? Warum stellst Du mir nach?«
Der Fremde machte eine schnelle Handbewegung und brachte Ramirs Fragen zum Verstummen.
»Eins nach dem Anderen«, grollte der Außerindische. »Ja, ich bin ein Besucher. Allerdings bin ich nicht nach India gekommen, um mit deinem Herrscher zu sprechen, so sehr das in meiner Angelegenheit auch helfen würde. Leider empfängt euer Herrscher keine Abgesandten mehr, denn er ist nicht mehr ansprechbar und schon lange tot.«
Ramirs Knie wurden schwach. Kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Der Unbekannte sprach mit seinen Worten aus, was er selbst schon lange in seinem Innersten vermutete.
»Wie … wie ist das möglich? Ist das eine Invasion? Habt ihr suggestive Kräfte und mein Volk bereits
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