Nebular Sammelband XL 1 - Aufbruch der Menschheit (Episode 1-30 - "Die Große Erschütterung")
ihn aus seiner Studienzeit kannte! Das ist nicht real, schoss es ihm durch den Kopf.
Fassungslos sah sich der Spezialist um, doch er war allein. Offenbar fand heute keine Vorlesung statt. Als sein Blick auf die holografische Tafel fiel, zuckte der Asiat zusammen. Dort war jene Ableitung aufgezeichnet, mit der er einst mathematisch nachgewiesen hatte, dass Gravitonen zumindest in der Theorie als gerichtete Schwerkraftfelder wirken konnten. Eine Leistung, mit der er damals selbst alteingesessene Professoren verblüffte.
Lai Pi lächelte und ging langsam zu seinem alten Platz. Vor einem kleinen Pult blieb er schließlich stehen. Ja, hier hatte er immer gesessen! Tatsächlich lag dort noch sein Notizspeicher, mit dem er immer Aufzeichnungen und Mitschnitte während den Vorlesungen gemacht hatte.
»Warum bist du heute in den Hörsaal gekommen?«, hörte Lai Pi plötzlich eine Stimme und fuhr herum.
»Nok!«, entfuhr es Lai Pi erschrocken.
Die ehemalige Studienkollegin lächelte sanft und ging langsam auf Lai Pi zu.
»Du arbeitest zu viel, Pi. Sogar an deinen freien Tagen kommst du hier her. Hast du noch nicht bemerkt, dass ich gern etwas mehr Zeit mit dir verbringen würde?«
Nok wurde wie Lai Pi in Bangkok geboren. Ihr langes, schwarzes Haar fiel sanft über ihre Schultern und die mandelförmigen Augen schlugen den Spezialisten sofort in ihren Bann. Sie war eine Schönheit und blieb kurz vor Lai Pi stehen. Er konnte ihr Parfüm riechen und spürte ihre Nähe fast körperlich. Die Luft zwischen ihnen schien zu knistern, als wäre sie statisch aufgeladen. Alte, längst verdrängte Gefühle kamen wieder auf, schmerzvolle Erinnerungen ...
»Aber du hast mir niemals gesagt das ...«, flüsterte Lai Pi und wurde von ihr unterbrochen. Sie legte einen Finger auf seine Lippen und sagte zärtlich.
»Lai, du bist es, der mich niemals beachtet hat. Du warst einfach zu beschäftigt mit dem Studium, mit der Wissenschaft, mit dir selbst. Es hätte so schön mit uns sein können und es tut mir so Leid ...«
Mit den letzten Worten löste sich Nok langsam vor ihm auf.
»Nein, geh noch nicht!«, rief Lai Pi ihr nach, doch die einzige Antwort war ein letztes Lächeln, dann war er wieder allein. Er stand plötzlich nicht mehr im Hörsaal der Universität, sondern in einem pompösen Thronsaal, dessen Ausstattung etwas an die Kathedralen des späten Mittelalters erinnerte. Doch die Verzierungen der Decken und Wände wirkten fremd, auch die Statuen und Gemälde konnte Lai Pi nicht einordnen. Ein riesiger, goldener und über mehrere Stufen abgehobener Thronsitz schloss den weiten Saal ab. Lai Pi drehte sich mehrmals um seine Achse und sah sich verwundert um. Wo bin ich?
Dann erklangen lautstarke, fanfarenartige Klänge und ließen den domförmigen Saal in seinen Grundfesten erbeben. Der Spezialist bedeckte die Ohren mit seinen Händen und war plötzlich von hunderten Humanoiden umgeben, die scheinbar aus dem Nichts entsprangen, ihn jedoch nicht beachteten. Ihr Blick war starr nach vorn gerichtet als warteten sie auf etwas. Dort stand ein sockelartiges Podest, das von einer transparenten Energieglocke umgeben und geschützt wurde. Auf dem Podest lag ein samtfarbenes Kissen, das einen goldenen Gegenstand trug.
Das ist Vasinas Schmuckstück! Die Jamal-Spange!
Lai Pi sah verwirrt an sich herab. Er trug eine fremdartige und schwere Kleidung, reichlich verziert mit unbekannten Mustern und Insignien.
Dann betrat durch einen Seiteneingang eine seltsame Prozession den Saal, angeführt von einer Gruppe martialisch wirkender Kämpfer. Dahinter eine Frau, die ein prunkvoll gearbeitetes Kleid trug.
»Vasina«, entfuhr es Lai Pi, der gefesselt dem Schauspiel folgte.
Einer der zahlreichen Gäste wandte sich um und der Asiat sah direkt in ein paar goldene Augen. »Ja, das ist Vasina von Atlantika! Die neue Herrscherin dieser Welt! Heute ist ein glücklicher Tag für alle Progonauten! Wir freuen uns sehr, dass auch Abgesandte des Hauses Asia der Zeremonie beiwohnen.«
Ein kräftiger Progonaut, der ein goldenes Schild auf dem Rücken trug, mahnte die Anwesenden zur Ruhe.
Der Schildträger! Vasinas Leibgardist Herkales
, dachte Lai Pi ergriffen.
Lai Pi beobachtete, wie gespannte Ruhe im Thronsaal einkehrte und Herkales sich vor Vasina verneigte.
»Ein letztes Mal verneigen wir uns zu Ehren von Komikon, unserem verstorbenen Herrscher, den das Cauma Fieber viel zu früh von uns genommen hat.«
Der gesamte Hofstaat fiel auf die Knie und auch Lai
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