Necroman
es wurde für Tony Kendall zu einer mörderischen Bewegung.
Ob er die Sense hörte, wie sie die Luft zerschnitt, wusste er wohl nur selbst, aber er sah sie und duckte sich, ohne dabei zu stoppen. Auch den Kopf hielt er gesenkt, fast am Boden, aber das stählerne Blatt der Sense war schneller.
Es erwischte Tony wie die Forke eines Parkwächters das Herbstlaub, und ebenso wie das Laub hatte auch er nicht die Spur einer Chance, denn das Metall griff zu.
Es kratzte noch einmal über den Parkettboden der Halle, aber die Spitze des Halbmondes schaute bereits nach oben, und sie wurde noch einmal höher gezogen.
Die Waffe pflückte den Jungen mitten im Lauf weg. Und Tim Baker schaute zu. Er konnte es nicht begreifen. Es war zuviel für ihn. Er hörte sich schreien und hielt sich zugleich die Ohren zu. Aber er brachte es nicht fertig, die Augen zu schließen, die standen weit offen, und so musste er entsetzt mit ansehen, wie sein Freund in die Höhe gerissen wurde. Das Blatt der Sense hatte ihn durchbohrt. Er war tot, zumindest schwer verletzt, und Necroman schwang seine Waffe weiter, unwillig, wie es schien.
Tony schrie nicht. Er bewegte sich auch nicht mehr. Die Arme und Beine zuckten nicht mehr. Und Tony blieb auch weiterhin auf der Sense stecken, als Necroman sie bewegte und dabei nach unten führte. Er tat es nicht einmal schnell, er ließ sich Zeit dabei, damit der junge Zeuge auch alles sah.
Wieder schrammte das Metall über den Boden und hinterließ dort eine Furche. Auch der Körper glitt über das Parkett hinweg, hinterließ aber auf seinem Weg einen roten Streifen. Dann schüttelte Necroman die Sense, als wollte er sie nicht mehr haben, und Tony rutschte von der gekrümmten Spitze herab wie eine Puppe.
Ebenso blieb er auch liegen. Starr und mit verdrehten Gliedern, wobei noch das Blut aus der schrecklichen Wunde strömte und sich auf dem Parkett verteilte.
Tim Baker konnte nichts tun. Er konnte nicht mal sprechen oder schreien. Das erlebte Grauen hatte ihn einfach stumm gemacht. Dabei wunderte er sich noch über den Widerstand in seinem Rücken, denn er hatte nicht gemerkt, dass er bis an die Wand der Turnhalle zurückgegangen war.
Da stand er nun. Sein Freund lag in Sichtweite, beinahe unter dem Netz des Korbs. Er bewegte sich nicht. Er stöhnte nicht. Seine Augen waren starr, und nur das Blut deutete darauf hin, was mit ihm passiert war.
Für Necroman war die Sache erledigt. Er kümmerte sich um sein zweites Opfer, und dabei drehte er sich langsam um. Auch die Waffe sank wieder nach unten.
Tim wunderte sich überhaupt, dass er noch denken konnte. Ihm fiel die Geschichte vom Zauberlehrling ein, der so sein wollte wie sein Meister und sich dabei zuviel zugetraut hatte.
Ja, er war der Lehrling. Er hatte die mächtigen Kräfte erweckt und schaffte es nun nicht mehr, sie wieder loszuwerden. In dieser verfluchten Turnhalle hatten sie sich konzentriert. Nie hätte der Junge damit gerechnet, ein so großes Grab zu bekommen.
Die Sense sank. Das Knochengesicht im Ausschnitt der Kapuze drehte sich dem Jungen zu. Da er den Kopf angehoben hatte, gelang ihm ein Blick in die Augen. Als Puppe hatte er sie immer als leer angesehen.
Das schienen sie jetzt auch noch zu sein, aber er glaubte daran, dass sehr tief in diesen unheimlichen und finsteren Pupillenschächten etwas Schreckliches lauerte, das ihn mit in die Hölle reißen würde.
Die Sense hatte den Boden fast erreicht. Noch ein kurzes Stück, dann schleifte sie wieder darüber hinweg.
Dieses Geräusch war für Tim das akustische Signal zum Sterben. Er hörte sich atmen.
Nein, das war schon ein Keuchen. Seine Brust hatte sich in ihrem Innern zusammengezogen. Jedes Luftholen tat ihm irgendwie weh. In den Augen schimmerte die Feuchtigkeit. Noch nie zuvor hatte Tim Baker unter einer so schrecklichen Angst gelitten.
Necroman zögerte Tims Tod noch hinaus. Mit der Außenseite schleifte das Metall auch weiterhin über das Parkett und hinterließ dort seine Spuren. Die Spitze - leicht nach oben gebogen - näherte sich dem regungslos dastehenden Jungen. Wieder sah es für ihn aus, als sollte er einfach weggepflückt werden.
Tim wunderte sich darüber, dass er in der Lage war, sich zu bewegen.
Etwas hatte sich in seinem Körper gelöst, und so ging er zurück, aber verfolgt von der Waffe.
Er sah nicht, dass hinter ihm mehrere Matten übereinander gestapelt lagen. Sie reichten ihm bis über die Kniekehlen hinweg. Das Hindernis wurde ihm zu Verhängnis.
Zuerst
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