Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
aussterben. Denn am Anfang, in Turgosheims Frühzeit, hatte es zahllose Fehden zwischen den einzelnen Festen gegeben, und der Tribut an Menschenleben, Szgany-Bestien und eigentlich allem, was man zum Leben benötigte, war enorm gewesen. Wenn dem Zolteismus nicht mit Nachdruck Geltung verliehen wurde, würde das Blut bald schwächer fließen, erkalten und zuletzt ganz versiegen! Wenn die Vampir-Lords überleben wollten, brauchten sie also ihre Religion. Und natürlich waren gerade die Schwächsten unter ihnen nur allzu bereit, diese anzunehmen – oder wenn schon nicht die Schwächsten, dann gewiss doch die Klügsten.
Dies war nun alles Geschichte, sicherlich, doch der Kult hatte überlebt, und Maglore der Magier war sein Lebtag lang ein »wahrer Zolteist« gewesen, ein »Asket«. Nun, innerhalb gewisser Grenzen natürlich. Maglore und Devetaki Schädellarve, ja, selbst Vormulac Ohneschlaf, sie alle waren in gewissem Sinne Asketen. Denn diese drei bildeten das geheime Triumvirat Turgosheims, sie waren diejenigen, die die Fäden in der Hand hielten, und hatten erkannt, was für eine Torheit es bedeutete, die Sonnseite völlig auszuplündern. Außerdem hatten sie in ihren mächtigen Stätten hoch über den niedrigeren Türmen und Anhöhen das schönste Leben geführt ...
... so lange, bis Wratha die Auferstandene und ihre Abtrünnigen flugfähige Krieger erschaffen hatten und mit ihnen aus Turgosheim in jenes sagenhafte Land im Westen geflohen waren! Darin bestand ihr Vergehen, und sie hatten es selbst zugegeben: Wratha und ihre Gesetzlosen hatten verbotenerweise Fleisch von der Sonnseite geraubt und damit seit Jahrtausenden geächtete Geschöpfe konstruiert. Darüber hinaus hatten sie bei der Zuteilung des Tributs betrogen, um mehr zu bekommen, als ihnen zustand. Doch dies war nicht der Grund, aus dem Vormulac alles daran setzte, einen gewaltigen Krieg vorzubereiten, was nun, drei Jahre später, in diesem so genannten »Kreuzzug« gipfelte. Nein, die wahre Ursache war seine Furcht.
Furcht davor, dass das sagenhafte Schlaraffenland weit im Westen jenseits der Großen Roten Wüste tatsächlich existierte und dass die Lady dessen Reichtümer dazu benutzen könnte, selbst eine unbesiegbare Vampirstreitmacht aufzustellen. Und Furcht davor, dass sie eines Nachts zurückkehren könnte, um Turgosheim seinen rechtmäßigen Führern zu entreißen. Denn dereinst hatte sie es sich wohl zur Gewohnheit gemacht, wiederaufzuerstehen und zurückzukehren, diese Lady; darum hatten sie ihr ja auch den Namen Wratha die Auferstandene gegeben ...
Dies waren einige der Gedanken, die Maglore so durch den Kopf gingen, als er in seinem Meditationszimmer auf seine goldene »Kristallkugel« blickte und überlegte, ob er sie einsetzen sollte. Wo war Wratha jetzt, fragte er sich, und wo Vormulac? Und wie mochte es ausgehen, wenn sie aufeinander trafen – oder vielmehr zusammenstießen? Und wo, wo er schon einmal dabei war, befand sich Nathan, Maglores »Fenster in eine andere Welt«?
Dies war der Grund, weshalb der Seher-Lord lediglich mit dem Gedanken spielte, sein wie eine Möbiusschleife geformtes Wahrzeichen einzusetzen; denn als er es das letzte Mal getan hatte ... nun, da hatte er feststellen müssen, dass dieser ach so findige Nathan noch um einiges findiger war, als er angenommen hatte. Oh, schon seit langem hatte er den Verdacht gehegt, dass es mit diesem Nathan nicht ganz mit rechten Dingen zuging, aber er hatte nicht die geringste Ahnung davon gehabt, wie merkwürdig dieser Nathan in Wirklichkeit war! Trotzdem, was konnte es schon schaden, wo doch all diese unerforschten Meilen zwischen ihnen lagen und dazu noch die Große Rote Wüste als Pufferzone? Maglore war allerdings ein Magier, gewissermaßen jedenfalls, ganz gewiss jedoch ein Seher, und darum hatte er Respekt vor den Fähigkeiten anderer; und obwohl er ein Wamphyri war und so etwas wie Furcht nicht kannte (das wenigstens sagte er sich), bezwang er fürs Erste doch seine Neugier in Bezug auf Nathan und wandte sich stattdessen Vormulac zu.
Denn bevor Lord Giftkeim Turgosheim verließ, hatte sein alter »Freund« und Gefährte Maglore ihm einen Glücksbringer überreicht – einen goldenen Ring für sein Ohr ... in Form einer gedrehten Acht. Maglores Wappen! Gewiss doch ein Zeichen unverbrüchlicher, gar untoter Freundschaft, wenn ein Mann einen anderen damit ehrte, dass er ihm seinen eigenen Talisman, das Zeichen seines Hauses, vermachte. Nicht anders als Nathan Kiklu trug
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