Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
und Türme erhoben, um ihren Platz in den stetig anwachsenden Reihen einzunehmen. Fürwahr ein erhabener Anblick!
Auf Hochglanz polierte Lederrüstungen, eisenbesetztes Zaumzeug und prunkvoller Zierrat glänzten um die Wette. Aus den Festen erscholl schmetternder Hörnerklang, und das Getöse der Trommeln und Gongs wollte nicht enden, mit dem die gemeinen Knechte ihre Gebieter (und Gebieterinnen) verabschiedeten und ihnen den Sieg in fernen Landen wünschten. Und über all dem das grollende Spucken und Wummern aus den Stoßdüsen der Krieger ...
Dann löste die riesenhafte Spirale sich auf und formte sich zu einer langen Reihe, als Vormulac Ohneschlaf persönlich die Kolonne westwärts aus der Schlucht hinausführte. Maglore erkannte die Standarten, Wappen und Wimpel, die im Sog übler Dämpfe aus den Stoßdüsen der Krieger flatterten, und hakte sie im Geiste ab, während sie auf seiner Höhe vorüberzogen und in der Ferne verschwanden: »der Gehängte«, Vormulacs Wappen; Grigor (des Lüstlings) Haksohns abscheulicher »stehender Stab«; »die Schädellarve« Devetakis, der jungfräulichen Dame von Maskenstatt; Lady Ursula Torbruts »Szgany-Glöckchen«; Lord Eran Schmerzensschrunds »Stachelhandschuh«; Lord Tangirus »Halsband aus Kriegerzähnen«; Zuns »blutige Stoßzähne«; Lady Zindevar Greisentods »Eber am Spieß« (eigentlich ein Mann am Spieß, bis hin zu dem Apfel in seinem Mund!) und viele weitere mehr.
Alle waren sie zugegen gewesen:
Lom der Halbstarke, Lord von Trollstatt; Lady Valeria von Valspitze; der Schwarze Boris, der sich Trogweiber als Gespielinnen hielt; Lord Wamus (ausgesprochen wurde es »Vamus«) mit seinen weit reichenden klauenbewehrten Armen, die er zusammenfalten konnte und die im Grunde nichts anderes waren als riesige Hautschwingen, denn seine metamorphen Fähigkeiten waren so ausgeprägt, dass er mühelos die Gestalt einer Fledermaus annehmen konnte; Lord Freg von Freghang; Zack Kahlkopf der Lachende von Zackenspitze und, oh, noch mindestens anderthalb Dutzend weitere.
Allein durch ihre Abwesenheit glänzten (seltsam genug, dass Maglore sich dabei ertappte, wie er ausgerechnet nach ihnen Ausschau hielt) Leute wie Wran »der Rasende« und Spiro Todesblick, Wratha die Aufgestiegene, Canker Canisohn, Vasagi der Sauger und Gorvi der Gerissene. Aber da sie ja angeblich der Anlass zu dieser so genannten Strafexpedition waren, war dies auch nicht anders zu erwarten. Denn in der Tat waren sie alle sechs in den unerforschten Westen geflohen, wo sie sich seit nunmehr über drei Jahren verbargen. Vormulac hoffte, sie dort mit seiner Armee aufzuspüren, um sie für ihren Verrat an den Wamphyri ganz Turgosheims zu bestrafen.
Aber im Grunde hatten sie gar kein derart abscheuliches Verbrechen begangen, eigentlich überhaupt keines, bestenfalls eine lässliche Sünde. Denn in Wahrheit hatten Wratha und ihre Abtrünnigen stets nur danach getrachtet, das zu sein, was sie ohnehin waren: Wamphyri! Allerdings war dies aufgrund der Politik, die in Turgosheim betrieben wurde, an sich bereits so etwas wie ein Verrat, und zwar am Zolteismus.
Ha! , dachte Maglore. Am Zolteismus, sag bloß!
Turgo Zolte war ihr aller Urvater, der Gründer Turgosheims, der mit seinen Jüngern vor dem Zorn Shaitans des Ungeborenen aus dem Westen hierher geflohen war. Doch all dies war Vergangenheit, eine Legende seit undenklichen Zeiten. Und was den Zolteismus betraf: Er war Turgos Vermächtnis, manche nannten ihn auch Turgos Fluch. Denn von allen Wamphyri, die je gelebt hatten und in Zukunft noch leben würden, war Turgo der Einzige gewesen, der es sich versagt hatte, mit seinem Egel zu kämpfen. Er war stets Herr seiner selbst geblieben, bis in den Tod. Seither wurde die Religion des Zolteismus an all diejenigen weitergegeben, die nach ihm in Turgosheim lebten.
Das Blut ist das Leben, aye – aber in Maßen. Leidenschaftlich nach Macht, Territorien, Knechten und Besitz zu streben gehörte zum Leben – aber in Maßen. Der Reiz des Tötens ist ein Genuss – doch alles in Maßen und den Regeln gemäß. Darin bestand das Wesen des Zolteismus: dem eigenen Parasiten zu entsagen, ihn in seine Schranken zu weisen und Herr der eigenen Gelüste und des eigenen Geschicks zu bleiben.
Mehr noch, Turgos Glaube schien, wie man sah, Sinn zu machen. Die Szgany von Turgosheims Sonnseite waren zahlenmäßig so sehr dezimiert worden, dass die Blutkriege enden mussten , wollten die Wamphyri nicht selbst aus Mangel an Nahrung
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