Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
sich Wratha, welche Verbindung wohl zwischen ihnen bestehen mochte ...
... zwischen Nestor, Misha und seinem Erzfeind. Oder vielleicht seinem Erzrivalen? War es das? Trauerte er insgeheim immer noch dieser Travellerziege Misha hinterher? War dies der Grund, warum er endlich bereit war, gegen die Szgany Lidesci vorzugehen? Weil er einen Rivalen unter ihnen hatte? Aber wenn dem so war, weshalb hatte er dann so lange gewartet? Wratha hatte geglaubt, nach Nestors letztem vernichtenden Schlag gegen seinen so genannten »Erzfeind« sei dies alles längst vorbei und vergessen. Außerdem erklärte es immer noch nicht, woher er gewusst hatte, dass oben auf dem Felsen eine Gefahr drohte. Benutzte Nestor sie etwa, um eigene Ziele zu verfolgen? Missbrauchte er auch die anderen, quasi als Strafexpedition in einer privaten Fehde? Falls dem so war, gingen die Verluste dieser Nacht allein auf sein Konto!
Noch immer rasend vor Wut, sagte sie sich: Wohlan, dann wollen wir doch mal sehen, wie er darauf reagiert! Indem sie ihren Geist öffnete, sodass ein jeder es sehen und hören konnte, und ihren Mentalismus mit voller Kraft einsetzte, rief sie:
Hört meinen Schwur! Ich, Wratha die Auferstandene, leiste ihn und werde mich auch daran halten. Von nun an wird mir dieser Eid heilig sein! Ihr alle hört ihn, und sollte ich ihm jemals untreu werden, dürft ihr mich Wratha Eidbrecherin nennen. Ich werde die Szgany Lidesci vernichten. Ob durch Geschick oder Betrug, ob durch Schläue oder schieren, unbändigen Willen ... bei dem Blut, welches das Leben ist, werde ich sie vernichten!
Zwar hatte Wratha ähnliche Eide auch zuvor schon geleistet, doch niemals so, dass jeder sie hören und, wenn er wollte, sie darauf festnageln konnte. Ah, aber eines war gewiss: An diesen Eid würde sie niemand erinnern müssen!
Während sie sprach, hatte Wratha einen Seitenblick auf Nestor geworfen. Auf ihn und in seinen Geist – zumindest hatte sie es versucht. Aber seine Gedanken waren undurchdringlich, fest verschlossen wie eine Auster. Bleich wie frisch gegossenes Blei saß er in seinem Sattel. Den Körper von oben bis unten verhüllt und das Gesicht unter einer Kapuze verborgen, glitt er auf dem Nachtwind dahin. Er wirkte eiskalt. Nichts deutete darauf hin, dass er sie überhaupt gehört hatte. Zumindest schien es so. Doch plötzlich rief er:
Die meinen zu mir! Wer von euch noch kann, zu mir! Wir haben noch eine Rechnung offen! Wer von euch verletzt ist oder sonst irgendwie angeschlagen, fliegt zurück zur letzten Felsenburg und erwartet dort meine Rückkehr!
Er scherte mit seinem Gefolge nach Süden aus, und den Wind aus den Eislanden im Rücken, wirkten sie vor den über die Wälder der Sonnseite dahinjagenden Wolken bald nicht größer als Mücken. Überrascht ließen Wratha und die anderen sie ziehen und setzten ihren Nachhauseweg fort. Doch die Lady wunderte sich. Was soll das nun wieder? Ist er jetzt auch noch verrückt geworden, unser Nekromant?
Aber sie hatte keine Gelegenheit, einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden.
»Ho, Wratha!«, erscholl ein – wenn auch irgendwie unterdrückter – Ruf über den luftigen Abgrund hinweg. »Und auch all die anderen sind hier! Nach meinem Dafürhalten allerdings ein ziemlich trauriger Haufen!« Es war Gorvi der Gerissene, der im Wind kreiste und längsseits kam, wo Wratha und die übrigen Lords an der Spitze ihrer dezimierten Truppen dahinflogen. Gorvi, und bis auf seinen Flieger war er allein. »Habe ich etwas verpasst?«, fuhr er fort, nun allerdings schon etwas stiller. »Na ja, vielleicht sollte ich besser keine Fragen stellen! Wie es aussieht, hattet ihr Schwierigkeiten.« Er heuchelte Anteilnahme, aber jedem war klar, dass er sich an ihrem Misserfolg weidete ...
... bis er einen Blick zurückwarf und die versprengten Überreste der Streitmacht sah, die die Wrathhöhe verloren hatte, vor allem, was von seinem eigenen Kontingent übrig geblieben war.
»Was?«, stieß Gorvi hervor. »Aber ... was für einen Schutz habt ihr meinen Männern und Kreaturen bloß angedeihen lassen? Was ist aus ihnen geworden ?« Seine Worte sollten vorwurfsvoll klingen, waren aber nicht mehr als ein Jammern – das Lamentieren eines kleinen Kindes, das etwas ausgefressen hat und weiß, dass es gleich den Hintern voll bekommt.
Wo – warst – du – Gorvi?, erscholl Wrathas leises Knurren in seinem Geist, und mit dem ihren auch zugleich dasjenige all der anderen.
Gorvi setzte dazu an, eine Antwort zu stammeln,
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