Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
hatte, blickte er, ehe er mit dem Graben begann, von einer merkwürdigen Vorahnung getrieben noch einmal nach Norden ... und sah die Signalrakete über dem Zufluchtsfelsen in leuchtende Sterne zerplatzen! Die Entfernung und der in der Luft wabernde Dunst dämpften ihr Auflodern. Doch dem alten Lidesci war klar, dass er sich nicht täuschte. Wie zur Bestätigung erscholl von einem Felsen in der Nähe der Ruf eines Postens: »Lardis, der Zufluchtsfelsen!«
Weitere Beobachtungsposten in den Eisenholzbeständen rings um das Lager hatten es ebenfalls gesehen. Lardis hörte sie rufen und rannte im Laufschritt zurück. Uruks Begräbnis musste vorerst wohl warten, doch Lardis war sich sicher, dass Uruk es ihm nicht übel nehmen würde.
Sein Ziel war eine unter einem Baum gespannte Plane am Rand des Lagers, unter der Misha sich um Nathan kümmerte, während Trask und die übrigen Gefährten des Necroscopen ihn umstanden. Höchste Zeit, dass der Bursche wieder auf die Beine kam. Nicht dass Lardis glaubte, sie würden Nathan verhätscheln; aber seine Talente wurden nun mal gebraucht. Ein paar von Lardis’ Freunden befanden sich noch am Zufluchtsfelsen. Er hatte nicht vor, noch weitere gute Leute an die Vampire der Sternseite zu verlieren, und schon gar nicht diese Männer.
Als Lardis an dem provisorischen Unterstand anlangte, kehrte bereits wieder Leben in Nathan ein. Er hatte die Unruhe im Lager mitbekommen und spürte, dass etwas im Gange war. Zunächst war er noch verwirrt, doch schließlich heftete er den Blick seiner sonderbar blauen Augen auf Misha, und das erste Wort, das ihm über die Lippen kam, war ein Name:
»Nana?« Doch schon im nächsten Augenblick wurde ihm klar, dass es kein Traum gewesen war.
»Junge!« Lardis durfte nicht länger warten. »Nathan!«, stieß er heiser hervor. »Es gibt Ärger am Zufluchtsfelsen!«
»Was?« Im Nu war Nathan auf den Beinen, noch etwas wackelig zwar, doch es ging ihm zusehends besser. »Ärger?« Er war blass und noch immer erschüttert, doch das Fieber war endlich gewichen.
»Andrei und Kirk sind noch dort«, erklärte Lardis. »Sie haben sich freiwillig gemeldet. Und eben haben sie eine Signalrakete abgefeuert. Bevor wir den Zufluchtsfelsen verließen, haben wir noch alles mit Sprengstoff vollgestopft, um Wratha eine Falle zu stellen, sollte sie mit ihrem Gesindel wiederkehren. Nun, wie es aussieht, sind sie wiedergekommen. Und die beiden tapferen Burschen befinden sich noch dort, und du bist der Einzige, der sie da rausbringen kann!«
Nun begriff Nathan. Er richtete sich kerzengerade auf, die Entschlossenheit legte sich wie eine eiserne Klammer um seine Eingeweide. Einen kurzen Moment lang empfand er nichts als Schmerz, den ganzen Jammer dessen, was ihm widerfahren war, Trauer und dann – blanken Hass! Auf die Wamphyri!
Lardis sah den Ausdruck auf seinem Gesicht, die plötzliche Veränderung, die mit Nathan vorging, hatte jedoch keine Ahnung, was dies zu bedeuten hatte. Sie durften keine Zeit mehr verlieren. Der alte Lidesci ergriff Nathans Arme und knurrte zwischen zusammengebissenen gelben Zähnen: »Junge, weißt du überhaupt, wo du bist? Hast du verstanden, was ich gesagt habe?«
Nathan schüttelte ihn ab. Er funkelte ihn wütend an und packte nun seinerseits den alten Lidesci an den Armen. »Ja, ich habe verstanden! Wo kann ich Andrei und Kirk finden?«
»Die Fluchttunnel an der Seite des Felsens, auf halber Höhe des Hanges, wo die Bäume anfangen ...«
Nathan nickte, schob ihn beiseite, entfernte sich ein Stück von den anderen und blickte hinauf zu den Sternen. Sie dienten ihm als Orientierungshilfe. Nun wusste er, wo er sich befand, und die Koordinaten des Zufluchtsfelsens kannte er ohnehin von klein auf.
Misha warf sich ihm in die Arme. »Nathan!«
Er gab ihr einen Kuss und schob sie sanft von sich. »Ja, ich werde vorsichtig sein!«
»Kann ich dir irgendwie zur Hand gehen?«, fragte Trask. »Hör zu, warum nimmst du mich nicht einfach ...«
Doch Nathan war bereits unterwegs. Er machte einen Schritt nach vorn und trat ins Nirgendwo. Er verschwand im Nichts ...
... im Möbiuskontinuum, das zugleich ein Überall war, der Ursprung von allem, das bereits vor allem anderen existiert hatte, abgesehen von dem einen vielleicht, dessen Geist es war! Er trat in den Raum zwischen den Räumen, in dem das Überall und Jederzeit aufeinandertrafen. Ein einziger Schritt nur, dann wählte er seine Koordinaten und trat wieder hinaus ...
... auf den Hügel über dem
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