Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
Nacktheit, das ihn neckte, endlich zu ihr ins Wasser zu kommen. Und Jahre später: ihr nachtschwarzes Haar, weich wie Samt, das im Sonnenlicht glänzte wie eine Rabenschwinge. Die Augen so groß und so braun, dass sie unter den geschwungenen, ausdrucksvollen Brauen gleichfalls schwarz wirkten. Ihr Mund, klein, gerade und süß unter einer kecken Stupsnase, die, obschon sie sich gelegentlich in echter Zigeunermanier blähte, nichts Hartes oder Strenges an sich hatte. Ihre Ohren liefen leicht spitz zu und zeichneten sich hell unter dem samtenen Haar ab, das ihr in Locken auf die Schultern fiel. Misha, das Mädchen, das nun Misha, die Frau, geworden war. Seine Frau.
Die Vision aus der Vergangenheit verblasste, und er sah ihr Gesicht vor sich, wie es nun war: reifer, wunderschön und voller Sehnsucht. Voller Sehnsucht nach Frieden und Kindern, nach einer Chance – und sei sie auch noch so gering –, ihr Leben zu leben, ihrer beider Leben, und zwar in Freiheit, in einer freien Welt. All dies spiegelte sich in Mishas Miene wider, sodass er nicht erst ihre Gedanken zu lesen brauchte. Nicht dass er dies jemals getan hätte; denn in dieser Hinsicht hielt er sich mit seinem Talent zurück. Er wusste sehr wohl um die Schwierigkeiten, die sich ergeben konnten, sollte man heimlich die Gedanken derjenigen, die man liebte, erkunden.
»Dann sag mir doch bitte«, entgegnete sie, »wie ich das anstellen soll! Wie soll ich denn aufhören, mir Sorgen um dich zu machen? Wirst du jemals lange genug bei mir sein, dass ich mir keine Sorgen mehr machen muss?«
Er nahm sie fester in den Arm und sagte stockend: »Hör zu, Misha! Was ich versuche, dir zu sagen ... du musst verstehen ... dass wir gegen die Wamphyri kämpfen!«
»War es denn jemals anders?«, erwiderte sie achselzuckend und deutete ein Stirnrunzeln an.
»Nein, du hast Recht! Es war schon immer so«, meinte er geduldig. »Aber diesmal wird es anders sein. Diesmal müssen alle Eide, die wir jemals geschworen haben – jeder einzelne Szgany, von Anbeginn unserer Geschichte –, gehalten werden! Diesmal kämpfen wir bis zum bitteren Ende, bis es mit ihnen ein für alle Mal aus und vorbei ist. Uns bleibt gar keine andere Wahl! Ich will doch nur dasselbe wie jeder andere Mann unter den Travellern auch – mich nachts zu meiner Frau legen, ohne mich in einem Erdloch verstecken zu müssen. Ich will meine Kinder aufwachsen sehen und wissen, dass sie immer die meinen und nicht irgendwann Futter für einen Vampir-Lord und seine Bestien sein werden oder Nachschub für seine Bottiche!«
Sie nickte. »Lardis hat das auch gesagt – schon oft ...« Vielleicht zu oft! Er sah ein, dass er sie erst überzeugen musste.
»Misha«, sagte er, »in jener Welt jenseits des Sternseitentores, die wir nur die Höllenlande nennen, versprach Ben Trask mir eine Waffe in die Hand zu geben, mit der ich gegen die Wamphyri kämpfen kann wie einst Harry Keogh und sein Sohn, der Herr des Gartens, vor unserer Zeit. Und er hat Wort gehalten – Trask hat mir diese Waffe gegeben! Nun muss ich herausfinden, wie ich sie am besten einsetzen kann.«
»Ich habe deine Waffen gesehen«, entgegnete sie. »Äußerst eindrucksvoll – allerdings hält sich ihre Wirkung in Grenzen!« Trotz ihrer Jugend ließ sie sich nicht so leicht etwas vormachen; dennoch begriff sie nicht ganz.
»Liebes!« Damit nahm er sie bei den Schultern und übermittelte ihr, indem er ihr tief in die Augen blickte, eine telepathische Nachricht, die selbst ein Kind noch mitbekommen hätte. Die Waffe, von der ich spreche ... bin ich selbst!
»Wie bitte?«, stieß sie hervor und schlug die Hand vor den Mund. »Nathan, ich habe dich sprechen hören – ohne dass du etwas gesagt hast!«
Aber ich habe etwas gesagt, Misha! Es gibt da ein paar Dinge, die ich dir zeigen muss. Du musst endlich erfahren, wer oder vielmehr was ich wirklich bin!
»Ich ... ich führe Selbstgespräche! Ich höre Stimmen! Und was sie sagen, sind nicht meine Gedanken!«
Lächelnd schüttelte er den Kopf. Nein, du hörst mich! Und ich kann deine Gedanken ebenfalls hören, wenn ich möchte. Aber ich möchte es nicht und werde dich niemals belauschen. Ich bin nun mal eine Waffe, und das gehört eben dazu. Damit werde ich gegen die Wamphyri vorgehen. Willst du noch mehr sehen?
Darauf vermochte sie zunächst nichts zu erwidern, doch dann nickte sie. »Oh ... ja!«
»Dann schließe die Augen und lass sie zu! Du weißt, dass ich mich ganz nach Belieben an die ...
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