Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
dich jetzt woandershin bringen, hinaus in die Glutwüste. Dort haben wir Freunde.
Die Thyre?
Sie sind nette Leute, erklärte er ihr. Ganz anders, als du sie dir vorstellen magst.
Er verschloss die Tür in die Zukunft wieder, wählte seine Koordinaten und begab sich mit Misha quer durch das Grasland und die Glutwüste – ohne beides wirklich zu durchqueren – in eine gewisse ins Licht des dahinjagenden Mondes getauchte Schlucht. Misha schwankte, als er sie sanft absetzte und telepathischen Kontakt zu derjenigen Frau aufnahm, die, wie er wusste, treu und brav auf ihn wartete. Und sie antwortete ihm, ja, gewiss könne er sein Weib mitbringen ...
... in die Höhle der Uralten!
Und diesmal geriet Misha wirklich ins Wanken. Um ein Haar wäre sie gestürzt, hätte Nathan sie nicht aufgefangen. »Was ...?«, fragte sie, indem sie sich umblickte. »Wo ...?«
»Wir sind an einer heiligen Stätte«, erklärte er, »an einem Ort, an dem die Thyre ihrer Toten gedenken. Denn ihre Toten befinden sich hier!«
In den Nischen rings an den Wänden brannten Kerzen, ziemlich viele sogar, und inmitten des staubigen Fußbodens saß Atwei, Nathans »Schwester«, wenn man so wollte, an einem kleinen Tischchen, die Überreste einer Mahlzeit vor sich. Als sie Nathan sah, sprang sie auf und flog ihm beinahe in die Arme ... ehe sie sich dessen besann, dass sie eine Thyre war. Gemessenen Schrittes ging sie weiter, was sich viel mehr ziemte.
»Nathan, mein Bruder! Und ...?« Selbstverständlich wusste sie, wer sich bei ihm befand, schließlich hatten sie bereits miteinander »gesprochen«. Aber es gehörte sich nun einmal nicht, sich über einen Dritten hinter dessen Rücken zu unterhalten, und schon gar nicht hinter dem Rücken von Nathans Ehefrau. Allerdings war Atwei ebenfalls bekannt, dass die Szgany, was den Schutz ihrer Namen anging, bei Weitem nicht so eigen waren wie die Thyre, dass es bei ihnen völlig genügte, sich einander beiläufig vorzustellen, sonst hätte sie diese Frage gar nicht erst gestellt.
»Misha«, half Misha ihr aus, wenn auch leise, und ihr hübscher Mund blieb ihr offen stehen, während sie endlich ihr Gleichgewicht wiedergewann und sich völlig verblüfft in der Höhle der Uralten umsah.
Durch die Mitte der wie eine Kuppel gewölbten Decke aus gelbem Sandstein verlief von Wand zu Wand wie der Pupillenschlitz einer Katze ein mit weißem Quarz gefüllter Riss, durch den geisterhaft ein Streifen Mondlicht auf den Boden fiel. Von der Decke hingen kristallene Stalaktiten, ringsum erhoben sich leuchtende, bucklige Stalagmiten wie schimmernde Kerzenstummel vom Boden, und im gesamten Rund lagen in aus den Wänden gehauenen Nischen die mumifizierten Uralten der Thyre.
Nathan kannte dies alles bereits, zudem hatte er es eilig. »Atwei, verzeih meine Ungeduld«, sagte er. »Würdest du für mich mit den Ältesten sprechen? Ich habe eine sehr große Bitte an sie!« In ihrem Geist zeigte er ihr, worin der Gefallen bestand, um den er bat.
»Natürlich«, erwiderte sie. »Schließlich bin ich eine von ihnen.«
»Du?«, entfuhr es ihm erstaunt, ohne nachzudenken. »Aber du bist doch noch so jung!«
Sie lächelte. »Damit bringen sie ihren Respekt für dich, den Necroscopen, zum Ausdruck! Schließlich bist du mein Bruder.«
Dies war eine große Ehre. »Die Thyre erweisen mir ... Respekt?«, versuchte er dem Anstand Genüge zu tun, so gut er konnte. »Aber, Atwei, ich muss meiner Frau einiges erklären. Würdest du es den Ältesten bitte persönlich sagen?«
»Selbstverständlich!« Sie machte Anstalten zu gehen, wandte sich dann aber noch einmal um. »Auch ich hätte eine Bitte an dich!«
»Und die wäre?«
»Wenn mehr Zeit ist, würde ich dir gerne einmal meinen Gefährten, meinen Ehemann vorstellen. Er heißt Alaia. Es wäre uns eine Freude, wenn wir euch dazu einladen dürften, ein Mahl mit uns zu teilen.«
Nathan lächelte. Er freute sich für sie, und einen Augenblick lang vergaß er sogar, dass das Gewicht gleich zweier Welten auf seinen Schultern lastete. »Das wusste ich ja gar nicht!« Doch dann schwand das Lächeln von seinem Gesicht. »Wenn Zeit ist, gern! Aber wir haben so wenig davon, und sie vergeht so rasch, meine Schwester! Die Dinge sind im Fluss und die Ereignisse überschlagen sich. Aber wenn einmal mehr Zeit ist, wäre es uns eine Ehre, mit dir und deinem Gefährten zu speisen.«
Erfreut neigte sie den Kopf, dann wandte sie sich um und rannte aus der Höhle. Kurz darauf vernahmen sie das
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