Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
ihn ein Schauder der Erregung, als er begriff, was Thikkoul da sagte. Etwas, dem er bislang überhaupt keine Beachtung geschenkt hatte, gewann mit einem Mal Gestalt: die Tatsache, dass auch er eine solche Bewegung der Erde gespürt beziehungsweise vorhergesehen hatte!
Der Necroscope sah etwas davon in Goodlys Gesicht und war prompt beunruhigt. »Was ist?«, wollte er wissen.
»Nichts! Nur dass ... ich weiß, was er meint. Denn ich habe es ebenfalls gespürt, allerdings ohne weiter darauf zu achten – bis jetzt!«
»Was denn, dass die Erde sich dreht?«
»Nein.« Goodly schüttelte den Kopf. »Dass sie sich drehen wird! Aber was kann das heißen?«
Seine Worte noch immer laut aussprechend, verfiel Nathan wieder in die Totensprache. »Thikkoul, hast du eine Ahnung, was das bedeutet?«
Vielleicht, wenn ich einen Blick auf die Sterne werfen könnte ...?
»Nun gut, aber ich warne dich, sie verblassen bereits!«
So mochte ich sie immer am liebsten, im Zwielicht vor dem Morgengrauen.
Nathan blickte hoch zu den Sternen, und sein metaphysischer Geist verschmolz mit demjenigen Thikkouls ...
... nur einen Moment, dann drehte sich alles um ihn, und beinahe entsetzt zog er sich wieder zurück.
Siehst du, sagte Thikkoul. Du hast es ebenfalls gespürt, dass die Welt eine Wende vollführen wird! Aber ... hast du es auch gesehen?
»Gesehen? Was denn?« Nathan fühlte sich seltsam benommen, ihn durchdrang ein nie zuvor empfundenes Schwindelgefühl.
Dass die Sterne von Süd nach Nord über den Nachthimmel wandern, während die Erde einen Schlenker vollzieht! Thikkoul klang ziemlich verwundert.
Nathan schüttelte den Kopf. »Nein, ich sah nichts. War das etwa ... die Zukunft?«
Ein Teil davon, stöhnte Thikkoul. Aber diesmal habe ich keine Ahnung, was es zu bedeuten hat. Und was deine Zukunft angeht, die Zukunft der Szgany insgesamt ... da habe ich nicht das Geringste gesehen! Diese Sache hier ist zu groß. Sie kommt stets dazwischen, verdunkelt und überlagert alles, sodass alles andere im Vergleich dazu nichtig ist.
Auch Goodly hatte keine Erklärung dafür ...
Das Ganze dauerte nur Minuten, kaum genügend Zeit für Lardis, das gesamte Lager antreten zu lassen. Diesmal kannte Nathan die Koordinaten nicht, darum musste er fragen: Jasef, wo bist du?
Als Antwort nannte dieser ihm einen Ort in den Wäldern westlich von Siedeldorf, wo eine Lichtung den südlichsten Punkt eines gleichschenkligen Dreiecks bildete. Nordöstlich davon lag das verlassene Dorf der Lidescis und im Nordwesten der Zufluchtsfelsen. An dieser Stelle war Jasef Karis einem Herzanfall erlegen, als Nathan und Nestor vier Jahre alt waren, und Nana Kiklu hatte ihn dort begraben.
Und nicht nur das, flüsterte Jasefs Geist, als Nathan mit Ian Goodly aus dem Möbiuskontinuum auf die Lichtung trat. Hier habe ich auch ein richtiges Wunder mit angesehen. All die Jahre über habe ich es für mich behalten, aber nun bist du ein Mann – aye, und obendrein auch noch deines Vaters Sohn –, und es ist höchste Zeit, dass du es endlich erfährst. Ich hätte es dir schon früher gesagt, aber sie wollten nicht zulassen, dass ich mit dir spreche – die Große Mehrheit, meine ich. Nun, man kann es ihnen kaum übel nehmen, immerhin war Harry Höllenländer zum Schluss ein Nekromant, und wie es aussieht, schlägt Nestor nach ihm. Sie mussten sichergehen, dass es sich bei dir nicht ebenso verhält.
Die Morgenröte zeichnete sich schwach am Horizont ab, als Nathan und Goodly sich auf einem abgestorbenen, von einem efeuumrankten Baum herabgestürzten Ast niederließen. Der Necroscope war wachsam und alle seine Sinne waren angespannt, Goodly hingegen hatte keine Ahnung, was vor sich ging. Der Hellseher wusste jedoch gut genug Bescheid, um den Mund zu halten und Nathan bei dem, was er auch gerade tun mochte, nicht zu stören. Mittels Totensprache fragte Nathan den alten Jasef Karis:
Was ist es, Jasef? Was trägst du die ganzen Jahre mit dir herum?
Es war ein merkwürdiger Morgen, damals, begann Jasef. Ich war seit geraumer Zeit, eigentlich seit Jahren, krank gewesen. Aber was bedeutet schon Krankheit, wenn man vor den Wamphyri auf der Flucht ist? Nun ja, wir alle werden irgendwann krank und sterben. Es war also ein merkwürdiger Morgen, aye, aber der Traum, den ich in der Nacht zuvor hatte, war womöglich noch merkwürdiger. Allerdings schien alles so echt, dass ich überzeugt war, dass es sich um mehr handelte als bloß einen Traum!
Erzähl mir alles darüber, sagte
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