Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
reden. Ich kann ihr Vertrauen in mich nicht aufs Spiel setzen, indem ich mich mit jemandem wie dir abgebe.
Vergiss es, seufzte Eygor. Aber ich habe einen Blick in deinen Kopf geworfen, Necroscope, und weiß, dass es machbar ist. Dein Geist ist ... so stark! Du bräuchtest mein Angebot nur anzunehmen, und mein Talent würde augenblicklich dir gehören. Du könntest es zum Wohl aller Szgany einsetzen!
Und du würdest wieder durch das Reich der Lebenden streifen!
Nur so lange, bis dein Wille mich wieder ins Grab zwingt.
Wie kann ich mir dessen sicher sein?
Was? Abermals bekam Eygors Totenstimme einen düsteren, gurgelnden Klang. Aber die Macht ist doch dein, Necroscope – Macht über die Toten – und was bin ich schon als ein zerfallender alter Leichnam, eh?
Ein Vampir, sagte Nathan.
Aye, und zwar einer, der bereits die aufgehende Sonne über sich spürt. Darum mache ich, dass ich zurück nach Turgosheim in die Irrenstatt komme.
Nathan spürte Eygors Präsenz schwinden. Der üble Dunst seiner Gedanken verzog sich, und seine verhallende Stimme drang nur noch wie ein leises, fernes Beben im Äther zu ihm: Wir sprechen uns wieder, Nathaaan ...
Unter dem Laubdach der Bäume, die ihm behelfsmäßigen Schutz boten, regte Nathan sich und öffnete erst ein Auge, dann beide. Seine Träume verblassten bereits, sodass er sich fragte, was davon, falls überhaupt, Wirklichkeit und was ... Traum gewesen sein mochte. Er wälzte sich auf die Seite und ließ seine Gedanken durch den Wald und über das Grasland bis hin zur Glutwüste schweifen. Dabei wurde ihm klar, dass er zumindest das Letzte nicht geträumt hatte. Denn Eygor hatte recht: Die Sonne ging auf! Ganz allmählich breitete sich ein heller Fleck über den Horizont, und die vertrauten Sternbilder am Himmel erstrahlten nicht mehr ganz so hell.
Das Lager erwachte. Ein Wachtposten ging gähnend vorüber und grinste den am Boden liegenden Nathan an. Es war Andrei Romani. »Wie geht es dir, Necroscope?«
»Nenn mich ruhig Nathan«, erwiderte dieser mit einem Lächeln. »Es ist alles wie immer. Nichts hat sich geändert.«
Andrei zuckte die Achseln. »›Necroscope‹ klingt irgendwie bedeutsamer, fast wie ein Titel.«
»Aye«, erklang neben ihnen eine schroffe Stimme. »Aber hier bei uns hat nur einer einen Titel, der wirklich etwas zählt – und das bin ich!« Es war Lardis, der – bislang unbemerkt – auf einem Baumstumpf saß. Trotz seiner gespielten Arroganz war er bis an die Zähne bewaffnet, geradezu die Verkörperung eines Schutzengels, und passte auf. Schon seit Stunden saß er dort – genauer: seit Misha aufgestanden war –, und wachte über die schlafende Gestalt des ... nun ja, Necroscopen.
Nathan setzte sich auf und gähnte ebenfalls. »Ist das Lager schon wach? Ich meine, sind alle auf den Beinen?«
»Die meisten«, antwortete Lardis. »Eigentlich alle bis auf dich und deine Leute aus den Höllenlanden. Sie sagten, du hättest deinen Schlaf nötig – und benutzten dies dann als Ausrede, um sich selbst aufs Ohr zu hauen!«
Nathan gähnte erneut. »Sie haben vollkommen recht, denn von jetzt an werde ich sie ziemlich auf Trab halten. Gab es während der Nacht noch irgendwelchen Ärger?«
»Nein, nichts.«
Nathan erhob sich. »Dann werden wir sie mal aufwecken, Lardis! Höchste Zeit, dass sie das neue Spiel kennenlernen. Es heißt ›Wenn einer eine Reise tut‹. Aber falls oder vielmehr wenn die Wamphyri-Lords eines Tages bei uns aufkreuzen, dann nennen wir es ›Verstecken‹!«
»Ein Spiel«, knurrte Lardis – und fragte sich, weshalb ihn der Necroscope so merkwürdig ansah und dabei grinste. Doch noch ehe er Nathan darauf ansprechen konnte, wurde dieser schon wieder ernst.
»Wo ist Ian Goodly?«, wollte er wissen. »Du kannst schon mal eine Versammlung einberufen. Ich muss für einen Moment verschwinden; ich habe noch etwas zu erledigen.« Er warf einen Blick zum Himmel.
»Mit dem Großen, Hageren, der in die Zukunft zu sehen vermag?«
»Mit ihm und noch jemandem«, nickte Nathan. »Aber es funktioniert nur, solange die Sterne über der Sonnseite am Himmel stehen.«
»Und wer ist der andere?«
»Ein Thyre«, erwiderte Nathan. »Du kennst ihn nicht. Er ist tot!«
Lardis machte den Mund auf, sagte jedoch nichts. Ian Goodly war bereits unterwegs und kam durch die Bäume auf sie zu. Doch dies war ja auch nicht anders zu erwarten ...
VIERTES KAPITEL
Nathan nahm Goodly mit zu Thikkoul, dem Thyre. Hier trafen im wahrsten Sinne des Wortes
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