Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
und versuchte an Höhe zu gewinnen, um über die Bäume am Rand der Lichtung zu gelangen.
Nathan zielte auf eine Stelle knapp dreißig Zentimeter oberhalb ihrer Körpermitte, drückte ab – und seine Rakete zischte, einen grellen Feuerschweif hinter sich herziehend, los und detonierte. Ein Lichtblitz, eine heiße Druckwelle, und Carmen flog über die Baumwipfel ... in Einzelteilen, begleitet von einem blutigen Sprühregen. Carmen-die-nicht-sein-durfte gab es nicht mehr. Ihre Bestie, in deren dornenbewehrtem Rücken dort, wo sich der Sattel befunden hatte, ein riesiges Loch klaffte, schrie ein einziges Mal schrill auf, bevor sie kopfüber in die Bäume krachte.
Einer von euch ist so schwach wie ein neugeborenes Wolfsjunges, erscholl über ihnen Vasagis Stimme, während der Sauger seinen Flieger geschickt zur Erde lenkte, und der andere bloß ein Mensch, ein Szgany, und nun auch noch ohne Waffe. Kaum ebenbürtige Gegner für Vasagi! Allerdings war Vasagi auch nicht derjenige, der den Fehdehandschuh warf!
Seine Bestie senkte sich mit zu Luftsegeln gebogenen Mantaschwingen, von einer Seite zur anderen gleitend, sanft wie ein Blatt an einem ruhigen Herbsttag zur Erde hinab. Aber obwohl Carmen tot war, machte Nathan dennoch zwei Bewusstseine im telepathischen Äther aus. Das eine gehörte Vasagi, das andere ... seinem Flieger!
»Karz!«, stieß Nathan atemlos hervor. »Karz Biteri!« Und schließlich erkannte ihn sein alter Freund ebenfalls: Nathan Sehersknecht, genannt Kiklu, der mit ihm aus Turgosheim, aus der Runenstatt, in die Freiheit geflogen war. Daraufhin geschah etwas noch nie Dagewesenes. Ein Flugrochen gab seinem Lord und Reiter Widerrede.
Nein!, verkündete Karz Vasagi. Ich werde dich nicht hinuntertragen! Wir sind weit genug zusammen gereist, du und ich.
Bring mich da runter! Vasagis Stimme war nur mehr ein Knurren, eine einzige Drohung, als Karz seine Schwingen ausbreitete und wieder ein bisschen an Höhe gewann.
Nein! , widersprach Karz ein weiteres Mal. Ich habe genug von dir, Vasagi. Von nun an trennen sich unsere Wege. Das war von Anfang an so ausgemacht.
Vasagi schäumte vor Wut. Bestie, ich befehle dir – bring mich da runter!
Nathan spürte Karz Biteris mentales Achselzucken. So sei es ...
Ein Stück weit oberhalb der Baumwipfel tat Karz etwas völlig Unerhörtes. Er widersetzte sich einem Lord der Wamphyri. Indem er eine Schwinge faltete, ließ er sich zur Seite kippen, spannte seinen Körper wie eine Stahlfeder an und schleuderte Vasagi aus dem Sattel.
Vasagi der Klaffende fiel. Mit den Armen wild um sich schlagend, stürzte er durch das Laubwerk der Wipfel, durchschlug die unteren Äste und kam mit einem dumpfen Krachen im dunklen Grün des Unterholzes auf. Jeder normale Mensch hätte bei diesem Sturz das Bewusstsein verloren, nicht jedoch ein Vampirlord. Aus dem nachtdunklen Wald stiegen Nebelschwaden auf, und in ihrer Mitte befand sich Vasagi. Auch Nestor stieß weiterhin seinen Vampirdunst aus, und die Lichtung lag tief in milchiges Weiß gehüllt.
Geh! , sagte Nana zu Nathan. Geh jetzt, solange du noch kannst.
Doch noch während der Necroscope ein Tor heraufbeschwor, sah er, wie sich die Nebelschleier teilten und sein Bruder Nestor sich in einer fließenden Bewegung aufrichtete, um sich auf Vasagi den Klaffenden zu stürzen, der versucht hatte, sich an Nathan anzuschleichen.
Geh!, wiederholte Nestor Nanas Mahnung, während er mit dem monströsen Vasagi rang. Er gehört mir! Einst habe ich ihn am Leben gelassen – ein Fehler, den ich nun beheben werde, ehe mein Körper mir den Dienst versagt und es mit meinem vergeudeten Dasein zu Ende geht. Geh, solange du noch kannst, kleiner Bruder, und bedenke, was für ein Glück du hast!
Nathan ging, allerdings nicht allzu weit. Mit einem Mal schien die Zeit zu rasen ... Im Lager wartete Ian Goodly bereits auf ihn. Er hatte alles parat, was Nathan brauchte beziehungsweise nach Ansicht des Hellsehers benötigen würde ... Goodly war sich seiner Sache so sicher, dass er den Stift der Granate zog, noch während er sie Nathan in die Hand drückte. All dies dauerte fünf, vielleicht sechs Sekunden; die nächsten vier würden die Entscheidung bringen.
Eins: Nathan nahm die Granate und vertraute auf die Zukunft oder vielmehr auf Goodlys Vorahnungen.
Zwei: Er beschwor ein Tor herauf und begab sich so schnell wie möglich zurück zu dem ungleichen Zweikampf auf der Lichtung.
Drei: Er trat aus dem Möbiuskontinuum in den hüfthoch wabernden, wie
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