Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
drei ESPer abgesehen, die, stocksteif wie Hasen im Scheinwerferlicht, auf der kalten, mitleidlosen Findlingsebene standen ...
ZWEITES KAPITEL
Fünfundzwanzig oder dreißig Minuten zuvor in Turgosheim:
Es hatte sich ergeben, dass Maglore der Magier in die Irrenstatt hinabgestiegen war oder vielmehr in das, was einst die Irrenstatt gewesen war, als die Gebrüder Todesblick, Wran und Spiro, noch dort residierten; hinab in jenes verwunschene, spinnwebverhangene, von Fledermäusen nur so wimmelnde Mausoleum, um es als zukünftige Erweiterung seiner Runenstatt in Augenschein zu nehmen. Er hatte seinen Leutnant, Karpath Sehersknecht, mitgenommen und war gerade dabei, Skizzen der Stätte anzufertigen und einige der Räume auszumessen, die er als metamorphe Bottiche zu nutzen gedachte. Denn Maglore hatte jede Menge Ungeheuer zu erschaffen, und in der Runenstatt war so gut wie der gesamte Raum belegt.
Doch unten in der Irrenstatt – wo selbst jetzt noch der furchtbare Geist ihres ermordeten einstigen Gebieters Eygor Todesblick durch den düsteren Äther zu schweben schien – begann Maglores Kopfhaut plötzlich zu kribbeln, das graue Fell in seinem Nacken richtete sich auf, und einen, wenn auch kurzen, Moment lang flammte vor dem geistigen Auge des Sehers ein Symbol auf, ein Zeichen, und es sah folgendermaßen aus:
Es war Maglores Wappen, anhand dessen ihn jeder Lord und jede Lady der Wamphyri erkannte. Es war aber auch das Zeichen eines anderen, der seit nunmehr siebzehn Sonnaufs aus Maglores Gesichtskreis verschwunden war. War er etwa ... zurückgekehrt? War dies möglich? War das Fenster des Seher-Lords zur Alten Sonn- und Sternseite wieder zum Leben erwacht – oder zum Untod?
Doch nun, da Vormulac Ohneschlaf mit seiner vampirischen Luftstreitmacht westwärts zu seinem Kreuzzug gegen Wratha die Auferstandene aufgebrochen war und Maglore in der gewaltigen Schlucht von Turgosheim nach Gutdünken schalten und walten konnte, war dies ebender glückliche Zufall, auf den er gewartet hatte! In der Tat, denn wenn dieser ach so pfiffige Nathan zurück auf der Alten Sonnseite war, nun, dann wäre dies eine Möglichkeit, doch noch auszuspähen, wie Vormulac vorankam, und er, Maglore, würde alles Wissenswerte über ein bislang unbekanntes Land erfahren!
»Nathan!« Maglore hatte sich kerzengerade aufgerichtet, schnüffelte in der Luft und ließ seinen Blick durch die Düsternis der verlassenen Irrenstatt schweifen. »Nun, mir ist, als könnte ich dich beinahe riechen!«
»Nathan Bleichblut?« Der Blick des massigen Karpath verengte sich, als Maglore sich kichernd die Klauenhände rieb und einem aufwärts führenden Treppenschacht zustrebte. »Was ist mit ihm, mein Gebieter?«
Woraufhin Maglore einen Moment innehielt und einen Blick zurückwarf. Seine blutroten Augen blitzten im Dunkel auf. »Bleichblut? Nathan Bleichblut? Du wolltest doch gewiss Nathan Sehersknecht sagen?«
Karpath war einen Schritt zurückgewichen. »Ich ... ich pflege ihn für mich so zu nennen, mein Gebieter – weil er so bleich ist und sein Blut so schwach.«
»Oh?« Maglores Stimme klang dunkel, tief, beinahe gurgelnd. »Nun, dieser ... dieser Drang, Namen zuzuteilen, bereitet mir einige Sorge, Karpath. Denn dies steht dir nicht zu. In der Runenstatt gibt allein Maglore den Kreaturen, die ihm gehören, einen Namen. In derartigen Angelegenheiten sind die Wamphyri sehr wachsam, ja, sie wachen geradezu eifersüchtig darüber. Ich bin sicher, das ist dir bekannt. Wäre es ... möglich, dass du es kaum noch erwarten kannst, aufzusteigen? Begehrst du etwa mein Ei, Karpath?«
»Mein Gebieter«, brachte dieser zitternd hervor. »Herr, ich ...«
»... Eines verspreche ich dir: Wenn ich die Zeit für reif erachte, meine Macht an einen anderen weiterzugeben, wirst du der Erste sein, der davon erfährt.«
Damit schritt der Seher-Lord Maglore, ohne noch einmal innezuhalten, allein weiter in sein Meditationszimmer ...
In jenem Raum ...
... stand neben einem Arbeitstischchen Maglores eine auf einem schlanken Onyxsockel ruhende »Kristallkugel«. Wenn er an dem Tischchen saß, brauchte er sich nur zur Seite zu drehen und seine Hände auf dieses Werkzeug zu legen, mit dessen Hilfe er in die Zukunft oder in die Ferne zu blicken vermochte. Nur dass dieses Requisit keineswegs aus Stein oder Kristall bestand, sondern aus einem Metall, das in der Welt jenseits des Sternseitentores als überaus wertvoll galt, hier jedoch, in der Vampirwelt, ziemlich gewöhnlich war.
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