Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
ihren Winterschlaf halten. Hier in dieser Welt hingegen ... Radu wusste zwar so gut wie nichts von diesen Dingen, doch mit einem Mal erfasste ihn eine Ahnung von der Macht, über die er verfügte – eine neue Macht auf der Sonn- und der Sternseite.
Radu war so etwas wie ein – nein, er war tatsächlich ein Katalysator, oder vielmehr, er würde einer sein, wenn er es denn wollte! Er gehörte nicht hierher, nicht in diese Wälder, und auch nicht unter ganz gewöhnliche Menschen. Allein die chemische Zusammensetzung seines Körpers, die nichts Menschlichem oder auch nur halbwegs Natürlichem mehr entsprach, konnte Verwandlungen hervorrufen, die der Natur Hohn lachten. Er spürte geradezu, wie die Kraft dazu in ihm wuchs. Sein Begehren richtete sich auf etwas, und nun musste er es nur noch wollen. Er würde einen Nebel aushauchen und den Wald dazu bringen, dies ebenfalls zu tun.
Und mit dem metamorphen Beistand seines Egels gelang es ihm. Die Poren seines Körpers öffneten sich und schienen zu dampfen. Der Dunst entströmte ihm wie einem Block Trockeneis. Von seinen Lippen drang schwer sein Atem wie eine sich immer weiter ausbreitende, böse Substanz, die in Schwaden von ihm ausging; es sah aus, als riefe sie aus den Wäldern und selbst dem Erdreich weitere Schwaden hervor! Am äußeren Rand des Zirescu-Lagers glitt Radu im Schutz seines Nebels auf die Tür von Giorgios Wagen zu und pochte sacht an das Weidengeflecht.
»Eh? Wer da?« Diese tiefe Stimme, den knurrenden, grollenden Bass hätte Radu überall wiedererkannt; ja, der alte Zirescu war noch am Leben. »Was gibt’s denn? Kann man sich hier nicht mal eine Stunde aufs Ohr hauen?« Drinnen wurden Geräusche laut, ein kleines, vergittertes Fensterchen öffnete sich nach innen, und ein aufgedunsenes, bärtiges Gesicht, die geröteten Augen zusammengekniffen, erschien hinter den Gittern. Radu stand am Fuß der in den Wagen führenden Stufen und hielt das Gesicht abgewandt. Der wogende, wabernde Vampirnebel, der sich in dünnen Schwaden nach oben rankte, verbarg seine Gestalt so weit, dass der alte Zirescu ihn nicht erkannte, aber die dürftige, abgerissene Kleidung eines Mannes aus den Bergen verriet ihn sofort als Fremden.
»Eh?«, murmelte Giorgio abermals, nun allerdings schon schroffer. »Wen haben wir denn da? Einen Wanderer, der mitten in der Nacht die Gastfreundschaft der Zirescus auf die Probe stellt? Weshalb belästigst du mich damit? Am Lagerfeuer sitzen noch Männer, da bin ich mir sicher. Geh hin und sing ihnen etwas vor, damit sie dir was zu essen geben.« Aller Wahrscheinlichkeit nach war Giorgio betrunken; den Schnapsgeruch seines Atems nahm Radu jedenfalls nur allzu deutlich wahr. Doch ehe der Alte sein Fenster schließen konnte, sagte Radu:
»Ich bin nicht hierhergekommen, um zu nehmen, sondern ich habe dir etwas mitgebracht .« Dabei verstellte er seine Stimme, so gut es ging – was ihm nicht weiter schwerfiel, nur dass er nun auch aufpassen musste, dass sie nicht nach einem Knurren klang! »Giorgio Zirescu, ich bringe dir eine Warnung! Aber hier draußen kann ich nicht sprechen ...« Er ließ seinen Blick ringsum schweifen, so als fürchte er, jemand könne sie belauschen. »Lass mich ein, und ich sage dir, welches Verhängnis jetzt, in diesem Augenblick, über dir und den Deinen schwebt!«
»Eine Warnung?«, stieß Giorgio hervor. »Verhängnis? Was soll das heißen?« Schärfer, in regelrechtem Befehlston fuhr er fort: »Sag, was du zu sagen hast, Kerl, dann höre ich dich vielleicht an!«
Radu straffte seine Gestalt, hielt das Gesicht aber immer noch abgewandt. »Ich gehöre nicht zu den Deinen, Giorgio, also sprich nicht zu mir wie zu einem Untergebenen. Ich bin ein Mann aus den Bergen, gewiss, ein Wanderer ... ah, aber wo ich überall herumgewandert bin und was ich dort gehört habe! Man erzählt sich, dass Giorgio Zirescu alt und fett geworden und immer nur besoffen ist und dass seine Söhne kaum besser als brünftige Ziegenböcke sind und die Zirescu-Weiber allesamt Schlampen, die die Beine lieber für einen Hund breit machen würden als für die Schweine, zu denen deine Männer geworden sind!«
»Was!?« Giorgio traten schier die Augen aus den Höhlen. »Wer erzählt so etwas? Wer wagt es, solche Lügen zu verbreiten? Ich habe mit meinen Nachbarn nichts zu schaffen, wer also sollte wissen, dass ich ... dass ich ...«
Radu sah ihn schief an, ganz kurz nur, doch sein Blick sagte alles. »Ja, sprich weiter! Wer sollte wissen, dass
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