Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
du ...«
Der Alte beruhigte sich wieder etwas. »Ich habe keine Zeit für dummes Geschwätz«, knurrte er. »Stock und Stein können mich treffen, nicht aber üble Nachrede ...«
»Stock und Stein, aye«, nahm Radu seine Worte auf. »Und Armbrustbolzen ... und Männer, die hinter deinem Land her sind, weil sie glauben, dass du nicht mehr in der Lage bist, es zu halten?« Das saß.
»Eh?«, stieß Giorgio erneut hervor. »Ist es das? Landdiebe? Aber dies ist mein Land, und vor mir gehörte es meinem Vater! Jemand will sich also mein Territorium unter den Nagel reißen, ist es das? Eine Landfehde? Dazu hat niemand ein Recht! Erzähl mir mehr!«
»Das würde ich schon gerne«, antwortete Radu achselzuckend, indem er Anstalten machte, sich abzuwenden. »Aber wie es aussieht, ist der Mann, den sie den Alten Zirescu nennen, viel zu stolz, um von Angesicht zu Angesicht mit einem einsamen Wanderer und Mann der Berge zu sprechen. Er steht ja viel zu hoch und ist zu mächtig! Soll ich etwa hier draußen in diesem klammen Nebel, der sich auf alles legt, stehen bleiben, ohne dass mir jemand ein Schlückchen von deinem guten Pflaumenschnaps anbietet, damit ich mir die Kehle wärmen kann? Nein, ich glaube nicht. Am besten überlegst du dir selbst, wo sie zuschlagen werden ... und wann ... und wie viele es sind. Na ja, dann viel Glück ...«
Radu kehrte dem Wagen den Rücken und tat, als wolle er weggehen. Doch Giorgio rief ihm nach: »Wanderer, wer auch immer du sein magst, warte!« Das Poltern war aus seiner Stimme gewichen. Nun klang er besorgt. »Ja, du hast recht: Manchmal kann ich ein undankbarer alter Mistkerl sein! Aber komm rein, komm rein und wärme dich ein bisschen auf. Habe ich gehört, wie du Branntwein sagtest? Nun, davon könnte ich jetzt auch einen Tropfen vertragen. Hör zu, ich habe einen Krug mit genau dem richtigen Zeug hier bei mir!« Der Riegel wurde zurückgeschoben, und Radu vernahm das Knarren der Weidentür.
Im nächsten Augenblick wandte er sich lautlos wieder um, erklomm die hölzernen Stufen, und ein paar Nebelschleier glitten mit ihm ins Wageninnere. Giorgio Zirescu hatte ihn auch noch hereingebeten , und zwar aus eigenem freiem Willen!
Nun ja, Radus lügnerischer Egel hatte ein bisschen nachgeholfen ...
DRITTES KAPITEL
»Land?«, fragte Giorgio abermals, nachdem er Radu einen ledernen Schlauch gereicht hatte. »Geht es darum?«
Radu nahm einen – winzigen – Schluck von dem scharf schmeckenden Branntwein und setzte den Schlauch ab. Es war lange her, dass er getrunken hatte, und er brauchte einen klaren Kopf.
»Es geht um Land, um Leben und Tod«, sagte er, und seine Stimme klang sehr tief und sehr schroff, als er Giorgio zum ersten Mal das Gesicht zukehrte. Er wollte sehen, ob der alte Zirescu ihn im Schein der Lampe wiedererkannte, aber dessen blutunterlaufenen, glasigen, hervorquellenden Augen blieben ausdruckslos. Hätte sich in ihnen auch nur ein Zeichen des Wiedererkennens gespiegelt, dann wäre es aus mit ihm gewesen, oh ja. Sein nächtlicher Besucher hatte ohnehin bereits entschieden, dass es so weit war, doch alles zu seiner Zeit. Erst sollte Giorgio noch erfahren, weshalb.
»Nun, jetzt stehen wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber«, sagte der Alte. Und so verhielt es sich auch; in der drangvollen Enge des Wagens war gar nichts anderes möglich. »Also, raus damit! Was ist los? Was Land, Leben und Tod betrifft, das ist alles eins. Wenn ein Mann um sein Revier kämpfen muss, um es zu behalten, dann wird er eben kämpfen. Sein Land ist sein Leben, und dort wird er auch begraben, wenn er eines Tages stirbt!«
»Und werden seine Leute mit ihm kämpfen oder werden sie weglaufen, weil sie ihn hassen?« Mit einem Mal klang Radus Stimme noch tiefer, ein grollendes Knurren, das seine widersprüchlichen Empfindungen zum Ausdruck brachte.
»Nein!« Der alte Zirescu schob sein Gesicht näher an ihn heran. »Sie werden kämpfen – weil sie ihn fürchten! Hier in diesen westlichen Wäldern sind die Zirescus schon seit undenklichen Zeiten stark gewesen. Zu meiner Zeit war ich, Giorgio, der Stärkste von allen! Ich musste es sein.«
»Zu deiner Zeit, aye«, nickte Radu. »Aber meinst du stark oder hart? Warst du stark mit deinen Leuten oder einfach nur hart zu ihnen?«
Mittlerweile war der Alte wieder etwas nüchtern geworden. Er nahm auf dem hölzernen Bettgestell Platz und musterte Radu neugierig von oben bis unten. Wenn er diesem Mann schon einmal begegnet war, müsste er sich
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