Negative Gefühle? Den wahren Charakter von Wut, Angst und Traurigkeit verstehen und glücklicher leben (Reihe "Lust auf Leben") (German Edition)
solchen Momenten – durch eine noch so kleine Gegebenheit – ein Gefühl ausgelöst worden, das sich zum großen Teil auf eine Situation in der Vergangenheit bezieht. Das heißt: Das unangemessene Gefühl ist einer vergangenen Situation angemessen!
Es ist noch da, weil wir es auf Grund unangemessener Blickwinkel unterdrückt haben. Unangemessen ist nun auch das Verlangen, das Gefühl solle sich nur auf den gegenwärtigen, vordergründigen Zusammenhang beziehen. Angemessen ist eine Haltung, die Gefühlen an sich Existenzberechtigung einräumt; eine Haltung, die weiß: Gefühle erweisen sich immer als angemessen, sobald wir sie in den zu ihnen gehörenden, angemessenen Zusammenhang stellen!
Wenn Gefühle aus der Vergangenheit hochkommen, steht es weder an, sie als unangemessen wegzustecken, noch steht an, sie loszulassen oder als Ballast der Vergangenheit abzuwerfen. Dann steht – schon lange – an, sie zu uns zu nehmen. Wenn das schwerfällt, ist es notwendig, die eigene Integrationsfähigkeit zu erhöhen.
Katharsis oder Integration?
Nach all dem Gesagten wird deutlich: Es handelt sich nicht darum, negative Gefühle durch einen mysteriösen Transformations-Prozess in positive zu verwandeln. Nein, alle unsere Gefühle sind schon immer von Natur aus bereichernd. Nur wenn wir sie ablehnen, erscheinen sie uns als negativ und unangenehm.
Es geht auch nicht darum, unsere sogenannten "negativen" Gefühle loszulassen. Im Gegenteil: Es geht darum, dass wir sie annehmen. Wovon es loszulassen gilt, ist nur die Ablehnung. In dem Moment, wo wir abgelehnte Gefühle als Teil von uns willkommen heißen und bejahen, in dem Moment fließt uns ihr bereichernder Gehalt zu. Das fühlt sich auf seine Art immer gut an.
Die meisten Körpertherapien sind mehr oder weniger stark von der kathartischen Sichtweise geprägt. Sie gehen davon aus, dass es in uns tatsächlich negative Gefühle, Ballast oder gar Müll aus der Vergangenheit gibt. Sie schlagen vor, uns von diesen Gefühlen zu reinigen, sie ’rauszuschreien, loszulassen oder sie mit dem Ausatmen zu entlassen, kurz: sie schlagen vor, diese Gefühle auf effektivere Art loszuwerden als bisher. Auch wenn sich diese Sichtweise für unseren Verstand zunächst plausibel anhört: Die Grundvoraussetzung der Unterdrückung, das ablehnende Verhältnis zu dem (negativen) Gefühl bleibt zum Teil bestehen und wird unterschwellig bekräftigt.
Wenn es bei einer kathartischen Methode auch zu Integration kommt, dann deshalb, weil unbeabsichtigt ein gewisses Maß an integrativer Sichtweise mitschwingt. Zum Beispiel: "Meine negativen Gefühle sind zumindest okay genug, dass ich sie in einem sicheren Rahmen 'rauslassen kann und nicht verstecken muss".
Diese integrative Minimalbasis wird aber nicht bewusst anerkannt und ausgeweitet. Im Gegenteil: Sie wird durch die kathartische Grundhaltung geschwächt, die ja das fragliche Gefühl von vornherein als negativ deklariert. Zum einen wird durch diese Haltung unsere Integrationsfähigkeit begrenzt, zum anderen bleibt auch für die Zukunft die Ursache der Unterdrückung bestehen.
So gesehen geschieht bei kathartischen Methoden die Integration nicht wegen, sondern trotz der kathartischen Sichtweise. Deshalb können wir uns mit kathartischen Methoden zwar vorübergehend Erleichterung verschaffen, wir können durch sie auch Kontakt mit unterdrückten Gefühlen bekommen, unsere emotionale Kompetenz voll entfalten können wir damit jedoch nicht.
„Negative” Gefühle und ein Blick voraus
Wenn wir den Charakter herausgeforderter Gefühle ganz verstehen, werden wesentliche Schritte in unserer Persönlichkeitsentwicklung möglich. Drei davon will ich hier in Form eines kurzen Ausblicks nennen:
1. Bedingungslose Lebensfreude
Je mehr wir uns vom Konzept der negativen Gefühle verabschieden, desto mehr wird deutlich, dass es möglich ist, sich mit allen Gefühlen wohl zu fühlen. Wenn wir das nicht nur theoretisch verstehen, sondern praktisch erleben wollen, geht es darum, das Wissen um die herausgeforderten Gefühle in Anspruch zu nehmen und unsere Emotionale Kompetenz voll zu entwickeln.
Tun wir das, folgt meist eine Phase der emotionalen Heilung. Eingefrorene Gefühle beginnen zu schmelzen, alte Wunden heilen und wir werden insgesamt lebendiger. Bereits in dieser Phase beginnt unser inneres Wohlbefinden immer weniger von äußeren Situationen abzuhängen. Richtig in den Genuss davon kommen wir aber, wenn die
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