Negative Glaubenssaetze
nun auf das Grundthema geeicht und bald entwickelte ich eine Art "Riecher" dafür: Schon nach kurzer Zeit konnte ich feststellen, welches Grundthema jemanden prägte. Das war einerseits schockierend, kannte ich doch fast niemanden, der frei davon war, und andererseits konnte ich nun die Menschen um mich herum viel besser verstehen.
Zu diesem Zeitpunkt dachte ich, dass ich mein Grundthema nun ausreichend erforscht hatte. Ich wusste, wie es mein Leben beherrscht hatte: zum einen, indem ich durch meinen Glauben und mein Verhalten Nicht-Willkommen-Sein hervorrief, und zum anderen, indem ich zwanghaft versuchte, mein "Nicht-Willkommen-Sein" auszugleichen, indem ich für andere da war.
Im Grunde war meine ganze bisherige Persönlichkeit dadurch geprägt. "Ich bin nicht willkommen" war meine grundsätzlichste Aussage über mich. Es war für mich damals die Definition dessen, was ich im Kern bin – fatalerweise eine Definition, die meine Existenzberechtigung verneinte. Diese Verneinung war bisher mein Fundament gewesen. Es war die Wurzel, aus der alle Verästelungen meiner Persönlichkeit erwuchsen. Kein Wunder, dass ich mich so fremd und begrenzt in meiner Haut fühlte.
Ich verstand jetzt auch warum ich das "Nicht-Willkommen-Sein" vorher nicht hatte wahrnehmen können – jedenfalls nicht als Gefühl, nicht als etwas, das ich erlösen konnte. Es war ja die geheime Wahrheit gewesen, von der ich ausging, der Boden, auf dem ich meinte zu stehen – ja, stehen zu müssen. Und dieser "Boden" kam nun ins Wanken.
Und ein anderer Punkt wurde klar den ich vorher nur undeutlich geahnt hatte:
Da ich nun aber das ganze Bild durchschaute, konnte es nicht mehr lange dauern, und ich würde das Thema als solches erlöst haben und frei sein von seinen Begrenzungen – dachte ich. Doch erst musste ich noch eine andere Entdeckung machen.
Existentielle Verlassenheit
Zwischen mir und Petra hatte es schon eine ganze Weile gekriselt, und gleichzeitig hatte Hartmut ihr mit üppigen Blumensträußen den Hof gemacht. Eines Sonntag-nachmittags bat sie mich um ein Gespräch, und in meinen Eingeweiden wusste ich bereits, was kam: Sie hatte sich in Hartmut verliebt und wollte sich von mir trennen. Die Trennung von Petra stürzte mich immer wieder in Wellen hochkommender Traurigkeit und wühlte Gefühle von Verlassenheit auf, die offenbar mit dem Nicht-Willkommen-Sein zusammenhingen.
Aber was sage ich da "Gefühle von Verlassenheit". Es fühlte sich an wie der Ozean selbst: unergründlich tief und kein Ende abzusehen. Ein riesiges Reservoir an Verlassenheitsgefühlen hatte ich da vor mir selbst versiegelt. Musste ich mich wirklich damit beschäftigen? Auch meine Freunde boten mir alle möglichen Ablenkungsmanöver. Aber ich wusste: Wenn es überhaupt einen Weg da heraus gab, dann führte er mitten hindurch. Und je mehr Schichten von Verlassenheit ich mithilfe von Vivation erlöste, umso klarer wurde der Zusammenhang.
Das geringere Übel
So schmerzhaft sich das Nicht-Willkommen-Sein anfühlte, so unangenehm die Folgen waren: Es war nichts anderes als eine Schlussfolgerung, eine gedankliche Festlegung, um mich vor Schlimmerem zu schützen.
Ich konnte fühlen, dass ich als neugeborenes Kind noch mit dem Wundervollen meiner puren Existenz verbunden gewesen war – gleichzeitig war ich aber auch zutiefst bedürftig: auf Leben und Tod war ich darauf angewiesen, dass mich jemand schützte und versorgte. Mein ganzer Überlebenswille war auf eins ausgerichtet: Spüren, dass es da genug Liebe und Wärme für mich gab. Spüren, dass mich jemand so sehr liebte, dass er mich rund um die Uhr versorgen würde. Nur die auf mich gerichtete Liebe meiner Mutter konnte mir diese Sicherheit und Geborgenheit geben. Wenn mir da etwas fehlte, stürzte ich in große Angst und Verzweiflung. Sätze wie: "In zwei Stunden komme ich wieder" hatten dann keinerlei Bedeutung.
Meine Mutter hat mir viel Wärme und Geborgenheit gegeben. Und doch hatten Zeiten der frühen Trennung, kurz nach der Geburt und später wegen Krankheit, tiefe Verlassenheit und Verzweiflung in mir hinterlassen.
Auch dass mein Vater die ersten Jahre nicht bei uns war, hatte eine tiefe Verunsicherung und das Gefühl ausgelöst, dass etwas Wesentliches fehlte. Später, in Kindergarten und Schule hatte ich auch nicht die Unterstützung, das zu verarbeiten. Im Gegenteil: was ich dort bekam, war Anpassungsdruck. Natürlich bestätigte das meine alte Schlussfolgerung: "So wie du ganz natürlich bist, so
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