Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
also geredet?«
»Sie benötigen, ich zitiere, ›Toilettenpapier, Stifte, Glühlampen, Tintenpatronen‹. Die Einkäufe werden innerhalb der nächsten Stunde getätigt werden.«
»Ich habe vergessen, wer von uns vor Ort ist.«
»Und das, obwohl du doch nie etwas vergisst.«
»Ich bin nicht in der Stimmung dafür, Arto.«
»Du hast dich verändert, seit du Chef geworden bist. Irgendetwas hast du auf dem Weg verloren. Donatella und Corine sind hier. Sie sind furchtbar nervtötend, du weißt schon: ADHS.«
»Wissen wir, wer von ihnen einkaufen gehen soll?«
»Aus dem Grund rufe ich eigentlich an, auch wenn du lieber ein wenig plaudern würdest. Ich habe eine Phrase aufgeschnappt von den Leibwächtern: Giovani viene prima. Die ist grammatikalisch zwar unschön, aber meines Erachtens so zu interpretieren, dass die Jugend zuerst an der Reihe sei. Es war ein Witz der älteren Leibwächter – ich glaube nicht, dass sie auch Italiener sind, eher Kroaten –, und ich glaube, dass es bedeutet, dass die Zwillinge Ricci gehen werden.«
»Mist«, gab Hjelm von sich. »Ich muss mal eben nachdenken.«
»Das tue ich ununterbrochen«, entgegnete Arto Söderstedt und legte auf.
Paul Hjelm dachte weiter nach. Antonio Rossi hatte in den vergangenen Tagen das Gebäude von Notos Imports kein einziges Mal verlassen. Nichts deutete also darauf hin, dass er das Haus aus anderen Gründen verließ, als um den Repräsentanten der Bettlermafia, Ciprian, zu treffen. Aber da stimmte etwas nicht. Die ’Ndrangheta (sofern die Männer ihr angehörten) hatte bestimmt keinen Ableger in Amsterdam, nur um Vlad und seine Männer im Auge zu behalten. Deren Geschäft machte doch nur einen Bruchteil ihrer weitverzweigten Aktivitäten aus. Ihr Hauptgeschäft war und blieb der Drogenhandel, vor allem Kokain, und es war anzunehmen, dass sowohl Amsterdams Restaurantbranche als auch die Waffenbranche von der ’Ndrangheta kontrolliert wurden, vermutlich auch Amsterdams berüchtigte Coffeeshops. Und innerhalb des relativ untergeordneten Menschenhandels selbst gab es bedeutendere Einnahmequellen als das Betteln – Prostitution, Billiglohnarbeiter. Da das einzige feststellbare Muster in der Villa in Oud-Zuid an das Verhalten der Rumänen in der Wohnung in der Lauriergracht erinnerte – nämlich dass auf elektronische Kommunikation offenbar vollkommen verzichtet wurde –, müsste Antonio sich eigentlich ziemlich häufig in der Stadt aufhalten, um Magnetstreifen oder anderweitig verschlüsselte Nachrichten auszutauschen. Das Problem war nur, dass er das nicht tat, zumindest bislang nicht. Vielleicht machte er es wie Vlad und überließ den Fleischschränken den physischen Informationsaustausch – aber weshalb hatte er dann ausgerechnet Ciprian persönlich getroffen, und das nicht nur ein-, sondern gleich zweimal?
Weil er ihm etwas besonders Wichtiges mitzuteilen hatte?
Weil er der Mafia gegenüber die Bedeutung von Plan G unterstreichen wollte?
Denn Plan G war die beiden Male explizit erwähnt worden, als Antonio Rossi persönlich in Kontakt zu der Bettlermafia getreten war, zuerst in dem zweifach verschlüsselten Brief, dann mündlich, an Bord des Touristenschiffs.
War die Mafia tiefer in das Vorhaben verstrickt, als Paul Hjelm bisher hatte glauben wollen? Wie genau hatte eigentlich die Zusammenarbeit von Asterion und der ’Ndrangheta zuletzt ausgesehen?
Er musste an den ersten großen Fall der Opcop-Gruppe zurückdenken, bei dem ein sterbender Chinese ihnen eine geflüsterte Botschaft hinterlassen hatte. Christopher James Huntington hatte im Auftrag der ’Ndrangheta unter verschiedenen Decknamen gearbeitet. So hatte sich Asterion Security Ltd. um die Kontakte zwischen europäischen Möbelunternehmen und der Mafia gekümmert, damit Erstere in der Fahrrinne vor Lettland Unmengen an Chemikalien entsorgen konnten. Damals war der Auftragsweg klar gewesen: Die ’Ndrangheta beauftragte Asterion.
Ob das jetzt erneut der Fall gewesen war? Aber was würde das bedeuten? Paul Hjelm lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Er erstarrte. Nein, das war unmöglich. So schlimm konnte und durfte es einfach nicht sein.
Selbstverständlich wusste Hjelm, dass die Mafia schon lange bestrebt war, legale Geschäfte zu tätigen – oder zumindest eine respektable Fassade zu errichten. Sie wollte Geld von Blut und Gehirnmasse reinigen, es dann waschen und am liebsten mit legalen wie illegalen Geschäften gleichermaßen viel verdienen, um auf lange
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