Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
EU-Kommissarin, du hast einen Chauffeur, eine Limousine. Du musst nicht selbst fahren. Aber ausgerechnet an diesem Tag, einen Tag nach Silvester, bist du selbst gefahren, bei extrem hoher Glättegefahr und auf einem der gefährlichsten Abschnitte der deutschen Autobahn.«
»Ich hatte Urlaub, so ungewöhnlich ist das doch nicht. Ich hatte frei. Mein Chauffeur auch.«
»Aber warum hast du das Auto nach Berlin genommen? Warum bist du nicht geflogen?«
»Ich habe Silvester mit einem guten Freund verbracht. Worauf willst du hinaus?«
»Es fällt mir schwer, meine Arbeit zu machen, wenn die Menschen mir gegenüber nicht aufrichtig sind. Du bist Auto gefahren, weil du keine Spuren hinterlassen wolltest. Aber das hast du doch getan, diesmal jedenfalls.«
»Und?«
»Du hast gesagt, dass es Bilder aus deiner Jugend waren. Du hast gesagt, dass diese Sexspiele deiner Jugend angehörten. Das stimmt doch so nicht, oder? Ich habe mich gerade eingehend mit Natz unterhalten, dem hervorragenden Organisten Ignatius Dünnes. Plötzlich wurde mir klar, weshalb sie ihm ein Foto von euren Jugendsünden geschickt haben. Es war eine indirekte Drohung, die besagte: ›Wir wissen, dass ihr beiden das immer noch macht.‹«
»Natz«, sagte Marianne Barrière träumerisch. »Es fällt ihm so entsetzlich schwer, ein Geheimnis für sich zu behalten.«
»Du warst bei ihm in Berlin, oder? Er hat dich vor Deutschlands angeblich gefährlichster Autobahn gewarnt, der A2 zwischen Helmstedt und Peine.«
»Was spielt das für eine Rolle?«
»Weil ihr beide immer noch Gruppensexspielchen macht. Wenn ich Natz richtig verstanden habe, warst du auf einer richtiggehenden Silvesterorgie. Begreifst du denn nicht, dass du dich dadurch angreifbar für weitere Erpressungsversuche machst? Auf dir ruhen jetzt Europas Hoffnungen.«
Marianne Barrière sah erneut aus ihrem Fenster. »Warum bist du so wütend auf mich?«, fragte sie.
»Zufälligerweise war es ein fünfundzwanzig Jahre altes Foto«, sagte Hjelm. »Aber es hätte genauso gut von gestern stammen können. Du setzt dich verhängnisvollen Risiken aus.«
»Ich habe gelernt, vorsichtig zu sein«, sagte Barrière ruhig. »Und kann man überhaupt jemals die Wahrheit über sich selbst erzählen? Die ganze Wahrheit? Was wäre das für eine Welt?«
»Ich mache mir nur Sorgen um dich.«
»Tatsächlich? Weshalb bist du eigentlich hergekommen?«
Hjelm erhob sich und lief auf und ab. Dann sagte er: »Um dir zu erzählen, dass Kerstin und ich heute heiraten werden.«
Nostos
Chios, Griechenland, 16. Juli
Gunnar Nyberg hatte einen seltsamen Tag verbracht, seitdem er die Nachricht am Vormittag erhalten hatte. Aufgewühlt war er umhergelaufen und war schließlich eine Stunde in seinen Trainingsraum gegangen. Die neu installierte Klimaanlage, die er sich hatte leisten können, machte alles so viel einfacher. Jetzt konnte er auch nachmittags Sport treiben. In den heißesten Stunden um die Mittagszeit war es immer noch unmöglich, aber jetzt, gegen Abend, war es erträglich. Danach ging er zu Ludmilla und fragte sie, ob sie mit zum Baden kommen wollte. Sie war in ein Buch vertieft und winkte nur ab. Also trabte er allein und mit aufgepumpten Muskeln den tückischen Schafspfad zum paradiesischen Strand hinunter.
Die Sonne ging langsam unter und zeichnete rote Farbnuancen in den klaren Sommertag, und als er zwanzig Minuten später unten eintraf, war die ganze Bucht in ein fast überirdisches rosa Licht getaucht.
Mit anderen Worten – alles war wie immer.
Bis auf die Tatsache, dass in der Bucht jemand war.
Er hatte den schlechtesten Aussichtspunkt des ganzen Strandes gewählt und saß frontal vor einer Klippe, die von einer anderen Perspektive aus gesehen unvergleichlich war. Einen Moment lang wusste Nyberg nicht, ob er zu dem Fremden hinübergehen sollte oder nicht. Aber es kam ihm albern vor, es nicht zu tun. Also ging er hin. Die Kleidung des Fremden war abgetragen, seine Haut braun, sein Gesicht von Falten durchzogen und seine Augen geschlossen.
» Hi there «, sagte Nyberg.
Der Fremde drehte sich nicht um. Er saß ruhig auf seinem ungeeigneten Aussichtspunkt und sagte: »Gehört der Strand Ihnen?«
Nyberg trat näher heran und erwiderte: »Soweit ich weiß, gehört der Strand niemandem. Auch wenn meine Frau und ich meistens allein hier sind.«
»Ist Ihre Frau auch hier?«
Nyberg hatte sorgfältig darauf geachtet, sich nicht an den Besucher anzuschleichen. Er war ganz offen auf ihn zugegangen. Und
Weitere Kostenlose Bücher