Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
gefreut. Und zwar so schnell wie möglich. Am liebsten in einer extravaganten Badewanne.
In Amsterdam Auto zu fahren war immer ein Wagnis. Es herrschte ein ständiges Verkehrschaos in einem Dschungel aus Einbahnstraßen; wie aus dem Nichts auftauchende Straßenbahnen, Fahrradfahrer, die sämtliche Verkehrsregeln außer Kraft setzten – und dazu die schmalen Straßen entlang der Kanäle, diese vielen Grachten, die kaum voneinander zu unterscheiden waren.
Die Lauriergracht war eine der kürzesten. Und schmalsten. Man konnte ohne Weiteres in seiner Wohnung auf der einen Kanalseite sitzen und in die gegenüberliegende sehen. Zudem befand sich in unmittelbarer Nähe eine Brücke. Bei Bedarf wäre man also innerhalb von Sekunden auf der anderen Kanalseite, um sich dort dem anderen Team anzuschließen, das in einer Wohnung des Hauses gegenüber Position bezogen hatte. Und zwar in der Wohnung, die direkt unter der observierten lag.
Das registrierte Kerstin Holm instinktiv, ehe sie das Gebäude durch einen Seiteneingang betraten und den sträflich falsch geparkten Wagen seinem Schicksal überließen.
Im hochsommerheißen Treppenhaus roch es feucht und leicht nach Schimmel, sie folgte ihrem Lebensgefährten die schmale Treppe aus dem 17. Jahrhundert hinauf bis zu einer Wohnungstür im ersten Stock, auf deren Namensschild »Bezuidenhout« stand. Die alte Frau Bezuidenhout war seit einigen Wochen in einer bedeutend luxuriöseren Wohnung in der Jan Luijkenstraat untergebracht.
Die dreiundachtzigjährige Reederwitwe hätte ihre alte Wohnung nicht wiedererkannt. Sie war übersät mit den unterschiedlichsten Varianten von Überwachungstechnik und Abhörgeräten, die Kerstin Holm gar nicht erst versuchte zu identifizieren. Ihre analytische Energie wurde davon in Anspruch genommen, den kahlköpfigen Mann zu identifizieren, der ausgestreckt auf dem Feldbett lag, das vollkommen unpassend mitten im Wohnzimmer stand. Er trug einen schnurlosen Kopfhörer und riss die Augen auf, als hätte man ihn bei etwas Verbotenem erwischt. Dann hievte er sich von der schwankenden Pritsche, während Kerstin Holm ihre Aufmerksamkeit zum Fenster richtete. Dort nahm eine sehr große dunkelhäutige Frau ihren Kopf von einem Gerät, das aussah wie ein Teleskop, und sah die Besucher erstaunt an. Dann richtete sie sich auf, lächelte breit und sagte: »Der Chef. Und Kommissarin Holm, nehme ich an?«
»Wir haben uns bisher ja nur digital gesehen«, antwortete Kerstin Holm und streckte ihr die Hand hin. »Corine Bouhaddi, richtig?«
»In ganzer Größe«, sagte Bouhaddi und schüttelte Holms Hand mit einem Händedrück, den man wortwörtlich als eisernen Griff bezeichnen musste.
Sie setzte sich an einen Schreibtisch, auf dem ein halbes Dutzend Monitore und Tastaturen standen. Dem Kahlköpfigen war es mittlerweile gelungen, sich von dem widerspenstigen Feldbett zu erheben, und er kam auf sie zu.
»Adrian Marinescu«, stellte er sich vor, schüttelte Holms Hand und wandte sich dann Paul Hjelm zu. »Chef, verzeihe, wenn es aussah, als hätte ich geschlafen. Das habe ich nicht.«
»Alles in Ordnung«, sagte Hjelm. »Du hast doch auch hart gearbeitet. Im Moment also keine Aktivität?«
Marinescu schüttelte den Kopf und rückte seinen Kopfhörer zurecht, der ihm auf seinem offenbar spiegelglatten Schädel ein bisschen verrutscht war. Dann antwortete er: »Seit gut einer Stunde nichts mehr.«
»Aber das könnte sich jetzt gleich ändern«, erklärte Bouhaddi und betätigte ein paar Tasten. »Deshalb stand ich auch gerade am Teleskop. Jemand, der definitiv wie ein Fahrradkurier aussieht, ist auf dem Weg ins Gebäude.«
Marinescu seufzte und sagte dann: »Ich bin bereit.«
Bouhaddis Finger flogen über die Tastatur, und auf einem der Monitore war zu sehen, wie der Fahrradkurier eine Treppe hinaufging, in seiner großen schwarzen Umhängetasche wühlte und dann an einer Tür klingelte, an der ein winziges Schild mit der Aufschrift »U. M. A. N. Imports« angebracht war. Auf dem benachbarten Monitor erhoben sich zwei feiste Männer aus einem Sofa und knöpften ihre viel zu dicken Jacketts zu. Ein Dritter glitt zwischen ihnen hindurch und drückte sich neben der Eingangstür an die Wand. Einer der Männer sah durch den Türspion, versteckte dann die Pistole hinter seinem Rücken und öffnete mit der Linken die Tür. Er nahm einen wattierten Umschlag im C5-Format in Empfang und quittierte, ebenfalls linkshändig, den Empfang mit einer elektronischen
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