Nekropole (German Edition)
besprechen?«, fauchte Ali. »Ihr habt versagt! Alle eure leeren Versprechungen waren nichts anderes als genau das! Leere Versprechungen!«
»Ich kann es auch anders ausdrücken, wenn du mich dann besser verstehst, kleiner Mann«, sagte Abu Dun.
Ali war kein
kleiner Mann
. Tatsächlich überragte er sogar Andrej um eine gute Fingerbreite und war mindestens genauso kräftig gebaut. Im Vergleich zu Abu Dun war allerdings jeder ein kleiner Mann und die meisten Männer Zwerge … was Ali in diesem Moment und zornig, wie er war, gar nicht zur Kenntnis zu nehmen schien. Er straffte die Schultern und funkelte den nubischen Riesen kampflustig an. Andrejs Vernunft – die nach allem anderen als Letztes erwacht war – meldete sich zu Wort und sagte ihm, dass er einschreiten und den drohenden Streit schlichten müsse, bevor Ali Abu Dun endgültig einen Vorwand lieferte, grob zu werden. Aber da war plötzlich noch eine andere Stimme, ein lautloses Flüstern, das tief vom Grunde seiner Seele heraufwehte und das Gegenteil wollte. Er schmeckte die Gewalt, die in der Luft lag, und er wollte mehr.
Vielleicht war es ausgerechnet Kasim, der das Schlimmste verhinderte, indem er um das schmale Bett herumkam und sich demonstrativ zwischen den beiden Kampfhähnen aufbaute, um den Blickkontakt zwischen ihnen zu unterbrechen, und hätten ihn nicht beide weit genug überragt, um einfach über ihn hinwegzusehen, dann hätte es vielleicht sogar funktioniert. Wenn die beiden aufeinander losgingen, dachte Andrej, dann würden sie ihn einfach zwischen sich zermalmen, ohne es auch nur zu bemerken.
»Jetzt gebt Ruhe!«, sagte Kasim scharf. Andrej bemerkte, dass seine Finger blutig waren, und es sah aus, als wäre es nicht sein eigenes Blut. »Der Mann braucht Ruhe. Wenn ihr euch schlagen wollt, dann tut das draußen auf der Straße, oder sucht euch ein Gasthaus, wo ihr euch mit dem Pöbel prügeln könnt!«
»Da muss ich nicht extra in ein Gasthaus, um danach zu suchen«, sagte Abu Dun.
In Alis Augen blitzte es wütend auf, doch er beließ es bei einem abschließenden drohenden Blick, fuhr auf dem Absatz herum und stampfte zur Tür. »Ich warte im Schankraum auf euch«, rief er im Hinausgehen. »In einer halben Stunde. Falls euer Zeitplan das zulässt.«
Abu Dun war es schon sich selbst schuldig, ihm noch eine spitze Bemerkung hinterherzurufen. Andrej empfand ein absurdes Gefühl von Enttäuschung, als Ali nicht darauf reagierte, sondern lediglich die Tür hinter sich zuwarf.
»Ihr dürft es ihm nicht übelnehmen«, seufzte Kasim. »Er ist sehr aufgebracht und in großer Sorge.«
»Tatsächlich?«, fragte Abu Dun spöttisch. »Das wäre mir gar nicht aufgefallen. Gut, dass du es sagst.«
Kasim zog eine Grimasse, sah dann auf seine blutigen Finger hinab und wechselte das Thema, indem er auf Andrejs Fuß wies. »Ich habe getan, was ich konnte, aber ich bin kein Arzt«, sagte er. Was stimmte. Soweit Andrej wusste, war er Hufschmied gewesen, bevor er in Alis Dienste getreten war. »Ruh dich noch ein wenig aus. Und du solltest deinen Fuß schonen, so gut es geht.«
Er sah zu Abu Dun hoch. »Du achtest ein bisschen auf deinen Freund, ja? Es sind oft die Stärksten, die sich am ehesten überschätzen.«
Abu Dun nickte zwar, wenn auch wohl eher aus Überraschung, und Kasim suchte eilig das Weite.
Andrej setzte sich auf und sah sich um. Besonders viel gab es nicht zu entdecken. Das Zimmer war winzig und so niedrig, dass Abu Dun nicht ganz aufrecht darin stehen konnte. Die Einrichtung bestand aus einem Tisch und zwei Stühlen, denen er sein Gewicht lieber nicht anvertrauen würde – geschweige denn Abu Duns –, und zwei schmalen Betten, für die mehr oder weniger dasselbe galt. Durch ein einzelnes, schmales Fenster drang Licht herein, mehr das des frühen Vormittags, und wonach es hier drinnen so penetrant stank, wollte er vorsichtshalber gar nicht so genau wissen.
»Ja, du siehst richtig, Hexenmeister«, sagte Abu Dun. »Ein wirklich königliches Gemach, nicht wahr? Mit einem richtigen Bett, und sogar eins für jeden von uns! Gleich nach Alis Kopf auf einem goldenen Tablett das, was ich mir seit Monaten am meisten wünsche.«
»Sei lieber vorsichtig«, sagte Andrej. »Diese Möbel sehen so aus, als wären sie ziemlich …«
Abu Dun ließ sich rückwärts auf das Bett fallen, das prompt mit gewaltigem Getöse unter ihm zusammenbrach, noch während Andrej mit einem Seufzen: »… alt« hinzufügte.
»Immerhin bewegt sich der Boden nicht«,
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