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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fuhr Abu Dun fort, als wäre gar nichts geschehen. Andrej wäre nicht einmal überrascht gewesen, wäre genau das in diesem Moment passiert, doch stattdessen stemmte sich Abu Dun auf die Ellbogen hoch und fügte hinzu: »Außerdem hat Ali das Zimmer für uns angemietet. Also wird der Wirt auch ihm jeglichen Schaden in Rechnung stellen und nicht uns.«
    Er sagte es so, als denke er ernsthaft darüber nach, noch ein paar Möbelstücke zu zerschlagen, nur, um Ali zu ärgern, stand aber zu Andrejs Erleichterung bloß auf und musterte die übriggebliebene Einrichtung misstrauisch, vor allem die beiden Stühle. Schließlich ließ er sich im Schneidersitz auf den Boden sinken und nahm mit der linken Hand den Turban ab. Andrej zog die Stirn kraus, als er den dünnen Flaum sah, der darunter zum Vorschein kam.
    »Sind das … Haare?« Das letzte Mal, dass er Haar auf Abu Duns spiegelnder Glatze gesehen hatte, war gute dreihundert Jahre her.
    »Jedenfalls fühlt es sich an, als wollten es welche werden«, bestätigte der Nubier. »Erstaunlich, nicht? In dieser Stadt geschehen wahrlich Zeichen und Wunder. Wer weiß, wenn ich lange genug warte, dann wächst mir ja vielleicht noch etwas anderes nach, das mir wichtiger wäre.«
    Andrej lächelte zwar pflichtschuldig, wurde aber sofort wieder ernst. Als er sich vorsichtig aufsetzte, wurde er mit einem heftigen Schwindelgefühl bestraft. Doch er schwang die Beine von der schmalen Liege und wandte seine Aufmerksamkeit erneut Abu Duns Schädel zu. Wenn man genau hinsah, erkannte man tatsächlich einen dünnen schwarzen Flaum, wie der beginnende Bartwuchs eines Jünglings, der noch nicht wirklich zum Manne geworden war. Abu Dun war zwar für viele Überraschungen gut, doch so etwas hatte er noch nie gesehen. Schließlich beugte er sich vor und streckte die Hand aus, als müsse er sich davon überzeugen, dass da auch wirklich das war, was er zu sehen glaubte.
    »Sahib, bitte!« Abu Dun hob gespielt erschrocken die Hand. »Euer ungläubiger Sklave und Mohr erfüllt Euch ja gerne jeden Wunsch, aber es gibt da ein paar Dinge, die …«
    »Halt still«, unterbrach ihn Andrej unwirsch und tastete mit den Fingerspitzen über Abu Duns Kopf. Es war keine Täuschung, die seinem Zustand oder dem schlechten Licht geschuldet war. Abu Dun wuchsen Haare.
    »Das ist wirklich erstaunlich«, murmelte er, lehnte sich weiter vor und hätte auf der Bettkante fast das Gleichgewicht verloren. »Ich habe ja schon viel mit dir erlebt, aber du überraschst mich doch immer wieder, Pirat.«
    »Schließlich ist es meine Aufgabe, für die Unterhaltung meines Herrn zu sorgen, Sahib«, antwortete Abu Dun todernst und mit ungerührtem Gesicht. Aber was fehlte, war das meist nur für Andrej sichtbare spöttische Funkeln tief in seinen Augen. Da war etwas anderes, das ihn beunruhigte, eine tiefe Sorge, die der Nubier mit Mühe zurückzuhalten versuchte, ohne, dass es ihm wirklich gelang.
    Dann begriff er.
    Abu Dun alberte nicht herum, nur, weil ihm danach war.
    Er zog die Hand zurück.
    »Was ist passiert?«
    Abu Duns Blick wurde forschend, als wäre er nicht sicher, ob er wirklich schon wieder in der Verfassung war, seinen Worten zu folgen. »Du erinnerst dich nicht?« Abu Dun beantwortete seine eigene Frage mit einem Kopfschütteln und einem freudlosen Lachen. »Dein Freund Ali hat recht, weißt du? Wir haben jämmerlich versagt. Sie haben uns übertölpelt, als wären wir blutige Anfänger.«
    Warum wählte er ausgerechnet diese Formulierung? Andrej war sich sicher, dass die Wahl seiner Worte kein Zufall war, und glaubte für einen kurzen Moment, etwas beinahe Lauerndes in Abu Duns Blick zu sehen.
    »Es war nicht meine Idee, diesen Kerlen zu vertrauen«, sagte er.
    »So wenig wie die Alis«, bestätigte Abu Dun und hob zugleich abwehrend die eiserne Hand, als Andrej widersprechen wollte. »Das waren nicht die Männer, auf die wir gewartet haben. Jemand hat sie abgefangen und ihre Stelle eingenommen. Jedenfalls meint Ali, dass es so gewesen sein muss. Und ich glaube ihm.«
    Andrej auch, und sei es nur, weil es das Einzige war, was überhaupt Sinn ergab. Aber der Gedanke machte ihn zornig. »Nichts von alledem wäre passiert, wenn er uns von Anfang an reinen Wein eingeschenkt hätte. Wie sollen wir jemanden beschützen, wenn wir nicht einmal wissen, wer er ist!«
    »Und welche Feinde er hat«, pflichtete ihm Abu Dun bei. Wieso hatte er eigentlich das Gefühl, dass sie über zwei grundverschiedene Dinge

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