Nekropole (German Edition)
Luft roch nach Rauch und Schweiß, nach angebranntem Essen und abgestandenem Bier, und obwohl der Raum das gesamte untere Stockwerk des Gebäudes einnahm und somit unerwartet groß war, wirkte er zugleich beengt, so vollgestopft, wie er mit Tischen, Bänken und wenig vertrauenerweckend anmutenden Stühlen und Hockern war. Die Theke bestand lediglich aus einem halben Dutzend bauchiger Fässer, über die eine Anzahl grober Bohlen gelegt worden war. In einem grob gezimmerten Regal dahinter reihten sich mehr Flaschen und tönerne Krüge, als die meisten Städte, in denen er gewesen war, Einwohner zählten. Darüber hatte jemand ein zerrissenes Netz gespannt, in dem trockene Fische und gläserne Schwimmbojen hingen, die meisten davon gesprungen oder auf andere Art beschädigt.
Selbst der Wirt hinter der Theke wirkte so, als hätte man ihn sorgsam ausgesucht, damit er in eine Umgebung wie diese passte: Klein und mindestens so fett wie Abu Dun muskulös, trug er nur knielange Hosen und eine lederne Schürze, die vermutlich mit seiner Haut verschmolzen war, so schmutzig, wie beides aussah. Das einzig Wache an ihm waren seine Augen, die Abu Dun und Andrej kurz und mit einem taxierenden Blick maßen und sogleich wieder das Interesse an ihnen verloren.
»Anheimelnd, nicht wahr?«, fragte Abu Dun. »Das nenne ich doch ein vornehmes Plätzchen. Ganz genau das, was man in einer Stadt wie dieser erwartet, oder?«
Was er auf gar keinen Fall an einem Ort wie diesem erwarten würde, wäre ein Mann wie Clemens oder auch der, der zu sein er vorgegeben hatte, dachte Andrej. Insofern war Hasans Wahl sogar sehr umsichtig gewesen … auch wenn Abu Duns nächste Worte dieses Urteil sogleich wieder zunichtemachten.
»Das ist nicht der Treffpunkt, den Hasan ausgesucht hat«, sagte er. »Don Corleanis hat diese Unterkunft vorgeschlagen. Nach dem, was am Fluss geschehen ist, scheint mir Ali ganz gut beraten gewesen zu sein, diesen Vorschlag anzunehmen.«
Andrej nickte nur und steuerte einen Tisch an, der so weit wie möglich von Ali und den jetzt wieder in vertrautes Schwarz gekleideten Assassinen entfernt war. Keiner von ihnen – auch Ali nicht – sah in ihre Richtung, doch die Nichtachtung wurde von dem guten Dutzend Schmugglern wieder wettgemacht, die in kleineren Grüppchen überall im Raum verstreut beisammensaßen und offensichtlich schon bei mehr als dem ersten oder zweiten Bier oder Wein angekommen waren. Bei ihrem Eintreten waren sämtliche Gespräche im Raum verstummt, nur, um jetzt und in doppelter Lautstärke wieder anzuheben. Der eine oder andere Becher wurde sogar grüßend in ihre Richtung gehoben, auch wenn die meisten Männer ihren Blicken fast schon angstvoll auswichen. Etwas wie Befangenheit legte sich über den Raum, und es wurde auch nicht besser, als die Tür aufging und der Herr der Schmugglerbande persönlich hereinkam – oder herein
walzte
, um genau zu sein. Don Corleanis schenkte ihnen zwar ein grüßendes Nicken und das, was er selbst wohl für ein freundliches Lächeln hielt, aber Andrej entging keineswegs, wie hastig er seinem direkten Blick auswich.
»Was tun wir hier?«, fragte Andrej, nachdem sie Platz genommen hatten. Mit einer Geste auf den Schmugglerkönig und gerade laut genug, dass Don Corleanis es hören musste, fügte er hinzu: »Und vor allem: Was tut
er
hier?«
Corleanis tat zwar mit wenig Geschick so, als hätte er die Frage nicht gehört, doch er fuhr sichtlich zusammen, während er seinen Weg zur Theke noch schneller fortsetzte. Ganz so einfach würde Andrej ihn jedoch nicht davonkommen lassen.
»Und die
Pestmond?«,
fragte er. »Segelt sie sich allein aufs Meer hinaus?«
»Um dieses Problem wurde sich gekümmert«, sagte Abu Dun, erklärte sich aber nicht weiter, sondern ließ sich nur sehr behutsam auf einen der fragilen Stühle sinken. Dann wackelte er ein paarmal hin und her, um die Stabilität des Möbelstücks zu prüfen und hob die unversehrte Hand, um dem Wirt zuzuwinken. Andrej schluckte die ärgerliche Bemerkung gerade noch herunter, zu der er ansetzen wollte. Abu Dun wollte ihn reizen, aber das war er nun weiß Gott gewohnt. So leicht wollte er es ihm nicht machen.
Und auch der Dunkelheit in sich nicht.
Hastig schob er den Gedanken beiseite. Er weckte Erinnerungen, die er lieber vergessen hätte. Der Wirt kam, aber nicht, um nach ihren Wünschen zu fragen, sondern ihnen ungefragt zwei halbvolle Krüge mit Bier zu bringen, zusammen mit zwei staubigen Bechern, die er hielt,
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