Nekropole (German Edition)
kostbarste Wein. »Also, allmählich wird es kompliziert.«
»Hältst du das jetzt für den richtigen Moment, um Scherze zu machen?«, fragte Ali.
»Siehst du mich lachen?«, erwiderte Abu Dun.
»Hört auf«, sagte Andrej. »Beide!« In Abu Duns Richtung schickte er noch einen mahnenden Blick hinterher, während er sich bei Ali um einen versöhnlichen Ton bemühte. »Ich habe nicht gesagt, dass wir dir nicht helfen. Ich bin es Hasan schuldig, und ich habe Ayla versprochen, auf sie aufzupassen. Wir stehen zu unserem Wort. Aber es wäre einfacher, wenn wir wüssten, worum es überhaupt geht.«
»Und wenn ich dir sage, dass ich es nicht weiß?«, erwiderte Ali.
Abu Dun lachte abfällig, und auch Andrej runzelte zweifelnd die Stirn.
Andrej wartete darauf, dass er weitersprach, denn seine vermeintliche Antwort warf im Grunde nur weitere und noch größere Fragen auf, doch Ali sah ihn nur an, als wäre damit alles gesagt.
»Und das ist alles?«, fragte er schließlich.
Ali nickte. »Das ist alles«, bestätigte er.
»Du meinst, alles, was wir wissen müssen«, fügte Abu Dun hinzu.
»Das ist alles, was ihr wissen müsst«, bestätigte Ali. »Ginge es nach mir, dann wüsstet ihr nicht einmal das.« Er zögerte kurz, und seine Stimme veränderte sich fast unmerklich, aber auch unüberhörbar. »Mein Herr hat mir gesagt, dass man euch nicht belügen kann. Ist das wahr?«
»Es ist zumindest nicht leicht«, erwiderte Andrej ausweichend. Tatsächlich war es
fast
unmöglich – was nichts mit irgendwelchen übernatürlichen Kräften zu tun hatte, sondern schlicht damit, dass sie drei Jahrhunderte Zeit gehabt hatten, in Gesichtern und Stimmen der Menschen zu lesen – aber
fast
bedeutete nicht
nie
.
»Dann kann ich ja auch ganz offen sprechen«, fuhr Ali fort. »Ginge es nach mir …«
»Dann wären wir schon tot?«, vermutete Abu Dun.
»… dann wärt ihr nicht einmal hier«, fuhr der Assassinen-Hauptmann so unbeeindruckt fort, als hätte er gar nichts gesagt.
»Du würdest uns gerne tot sehen«, beharrte Abu Dun. »Ich verstehe.«
»Du verstehst gar nichts«, antwortete Ali. »Solche wie euch … dürfte es nicht geben!«
»Sag das meiner Mutter«, grinste Abu Dun. »Oder besser noch meinem Vater. Ich glaube, in diesem Punkt würde er dir gewiss zustimmen.«
»Wenn Gott gewollt hätte, dass der Mensch ewig lebt, dann hätte er seine Lebensspanne nicht begrenzt«, antwortete Ali. »Ich weiß nicht, was ihr seid. Aber ihr seid nicht Gottes Geschöpfe! Schon eure bloße Existenz verstößt gegen alle Regeln der Natur!«
»Ja, ich mag dich auch«, seufzte Abu Dun. »War dein Großvater Holzhändler?«
»Was soll der Unsinn?«, fragte Ali.
Abu Dun hob die Schultern. »Das würde deinen Unmut erklären«, antwortete er ernsthaft. »So mancher Reisighändler ist bankrottgegangen, seit die Scheiterhaufen aus der Mode gekommen sind.«
»Lass es gut sein, Pirat«, sagte Andrej, wobei er Ali nicht für einen Moment aus den Augen ließ. Der hatte sich jetzt wieder vollkommen in der Gewalt, und wie üblich war es selbst für ihn kaum möglich, in seinem Gesicht zu lesen. Aber er konnte spüren, wie es hinter der Maske brodelte. Innerlich war der Assassine so aufgewühlt, wie er ihn noch nie zuvor erlebt hatte.
»Du musst doch wenigstens wissen, wer die Männer waren, die uns aufgelauert haben«, wandte er ein.
»Oder warum die halbe venezianische Flotte hinter uns her war«, fügte Abu Dun hinzu.
»Das weiß ich nicht«, behauptete Ali.
»Und ich glaube dir nicht.« Abu Dun prostete ihm spöttisch zu. Alis Reaktion bestand lediglich aus einem Blick, der keinen Zweifel daran ließ, wie wenig ihn interessierte, was Abu Dun glaubte oder nicht.
»Und Kapitän Danelli hat nichts über seine Auftraggeber gesagt?«, hakte Andrej nach, wenn auch vornehmlich, damit Abu Dun nicht weitersprach und noch mehr Öl ins Feuer goss.
»Ich habe ihn eindringlich befragt …«
»Du meinst gefoltert«, vermutete Abu Dun.
»… und er weiß es nicht«, führte Ali seinen Satz ungerührt zu Ende. »Venedig hat es nie verwunden, dass Rom ihm den Rang abgelaufen hat und die Dogen nicht automatisch den neuen Papst stellen, sobald der Heilige Stuhl vakant ist.« Er drehte sich betont langsam zu Abu Dun um. »Und du solltest uns inzwischen besser kennen, Mohr. Wir sind Assassinen. Es ist nicht unsere Art, Menschen zu foltern.«
»Ihr bringt sie lieber gleich um, ich weiß.«
Dieses Mal würdigte Ali ihn nicht einmal eines Blickes als
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