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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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Fresse nicht zu weit aufzureißen. Wenn die das erst später in Papas Firma lernen, geht das Familienunternehmen gleich pleite. Dagegen sind zwanzig Euro doch geschenkt. So gesehen habe ich Ihnen geholfen. Hey, das ist Sonderpädagogik!«
    Ich sah ihn an. Wie er grinsend dastand. Ein zu groß geratener Michel aus Lönneberga, der sich standhaft weigerte, erwachsen zu werden. Gott, wie ich ihn liebte, aber so was durfte man ihm nie direkt sagen.
    Ich streckte die Hand aus und schnipste mit den Fingern. »Okay, du Sack, dann gib mir einen Zehner.«
    »Was?« Er sah mich fassungslos an. »Die gottverdammte Hälfte???«
    »Ohne mich wärst du gar nicht hier.«
    »Ohne mich gäbe es gar kein Geld zum Verteilen!«
    »Ohne dich hätte ich jetzt keine Schuldgefühle gegenüber den Kindern.«
    »Ohne mich … Ach, scheiße.« Er musste lachen. »Kann ich’s anschreiben lassen? Ich will Anita auf dem Heimweg noch irgendwas kaufen.«
    »Klar.«
    Wir stiegen ein. Er fluchte über die Hitze, die sich im Wagen gestaut hatte. Ich versenkte mich in die Karte und sah ihn etliche Ampeln lang nicht an. Nele auf dem Klo. Ein Leben ohne meinen besten Freund. Es war alles ein bisschen viel, und der Tag war noch jung.
    Nach gefühlten weiteren hundert Einbahnstraßen und ebenso vielen Ampeln fanden wir die Adresse. Rokko steuerte in eine Parklücke auf der anderen Straßenseite und machte den Motor aus. Dann drehten wir uns um und schauten durch die Heckscheibe zur Hausfassade rüber. Ein achtstöckiges graues Bürohaus mit einer verglasten Vorderfront. Es war kurz vor neun, und Menschen strömten in das Gebäude. Mehrere teure Autos parkten auf den dazugehörigen Privatparkplätzen, unter den Fahrzeugen war auch ein aufgemotzter Jaguar, der vor Chrom nur so blitzte. Wir guckten uns an. Dann stiegen wir aus und gingen auf das Gebäude zu. Als wir den Jaguar passierten, schüttelte Rokko ungläubig den Kopf.
    »Wie asi muss man sein, einen solchen Wagen aufzumotzen? Mann, die Karre ist Understatement, da kann man doch kein Chrom dranpacken! Wie kann man nur so etwas Schönes so verunstalten?«
    Er war ehrlich empört.
    Fünfzig Meter neben uns lag ein Mensch auf einer Parkbank. Ein Mann. Seine Hand hing schlapp auf den Asphalt herunter. Neben der Hand stand eine leere Flasche. Menschen in Anzügen eilten vorbei, ohne ihn anzuschauen. Ich wusste, dass ich, wenn ich hier lebte, auch an ihm vorbeigehen würde, ohne ihn wahrzunehmen.
    »Bringen wir’s hinter uns.«
    Wir fügten uns in den Menschenstrom ein und betraten das Gebäude. In der Empfangshalle herrschte reges Treiben. Die Frau hinter der Theke hatte alle Hände voll zu tun. Wir nutzten das Gewusel, um unbemerkt den Fahrstuhl am Ende der Halle anzusteuern. Die Firmenschilder und die Gespräche im Fahrstuhl verrieten uns, dass viele Medienunternehmen im Haus untergebracht waren. Prima. Unten machte man politisch korrekte Beiträge, und zwischendurch fuhr man in den achten Stock zu Cologne Service for Men.
    Als der Fahrstuhl im siebten Stock anhielt und wir als Einzige nicht ausstiegen, warfen uns die anderen beim Rausgehen Blicke zu. Rokko konnte es nicht lassen. Er packte sich zwischen die Beine.
    »Mann, hab ich Stau!«
    Die Fahrstuhltür schloss sich. Ich verdrehte meine Augen. Er grinste. Der Fahrstuhl fuhr trotzdem weiter.
    Wir betraten einen langen, hellen Flur, der leicht nach Zigarettenqualm roch. Es gab nur zwei Türen. Neben der einen hing ein geschmackvolles Firmenschild der Escort-Agentur. Wir drückten auf die Klingel, die Tür summte, und wir traten in einen ebenso geschmackvoll eingerichteten Empfangsraum. Hinter einem Tisch saß eine attraktive Frau Anfang dreißig. Sie strahlte uns an und zeigte tolle Zähne.
    »Darf ich Ihnen helfen?«
    Ich wollte meinen Dienstausweis rausholen, aber Rokko holte stattdessen das Landei hervor.
    »Och, ey, wir brauchen ein paar Mädels für ’ne Party. Mein Freund hier hat ein paar Leuten das Leben gerettet und kriegt einen Preis, da gibt’s dann so ’ne Gala, und da kann man ja nicht alleine rumhängen.«
    Sie lächelte mich an.
    »Gratuliere.«
    »Jaja, er is’n Held«, sagte Rokko, »aber ich warne Sie: Jubeln Sie uns keine Nutten unter!«
    Das Lächeln der Schwarzhaarigen bröckelte kein bisschen, als sie ihn freundlich ansah.
    »Hier oben bekommen Sie exklusive und exquisite Begleitung. Die Nutten sitzen ein paar Etagen tiefer.«
    Rokko runzelte die Stirn. Er schob sein Kinn vor und holte Luft. Ich zückte meinen Dienstausweis

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