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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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schwerer. Ihre Hand wurde schlaff. Ihr Mund öffnete sich. Ich sah zum Fenster und dachte an Mor, die da unten alleine in der Küche saß. Ich dachte an meinen Hund, den ich als Welpen bekommen hatte. Ich dachte an ein Leben ohne Rokko. Ohne Anita. Ohne mein Zuhause.
    Ich schloss meine Augen und versuchte, an etwas Schönes zu denken. Als ich meine Hand auf Neles Bauch legte, gelang es.

zwei
    »Links!«
Rokko riss das Lenkrad herum und bog in eine Allee ein, die von ebenso vielen Geschäften wie Bäumen gesäumt wurde. Der Renault-Fahrer, den wir geschnitten hatten, zeigte uns einen Vogel. Rokko winkte fröhlich. Er hatte Spaß. Da war er der Einzige. Die Straßen waren verstopft, und alle schienen schlecht gelaunt und unter Zeitdruck. Dazu kam, dass der GT kein Navi hatte. Wir irrten umher wie Schweinchen Babe in der Großstadt. An einer Tankstelle hatten wir eine Karte gekauft, aber die Straßenführung schien sich seit Fertigstellung der Karte geändert zu haben. Es war wie Segeln im sechzehnten Jahrhundert. Es bisschen Sonnenpeilung, ein bisschen Horizont checken, ein bisschen Rückenwind, und trotzdem kein Land in Sicht. Vor einer Stunde hatte Rokko mich ganz normal zur Arbeit abgeholt, bloß, dass wir am Revier vorbei und in Richtung Köln gefahren waren. Es war ewig her, seit ich hier gewesen war, und ich hatte vergessen, wie schlimm der Verkehr und die Stimmung waren. Überall begegnete uns der Mensch mit seinen Allüren. Gestresst, wütend hupend und ohne erkennbaren Grund aufs Lenkrad einschlagend. Schon nach wenigen Minuten wünschte ich mich aufs Land zurück. Rokko dagegen war in Topform. Er schrie Verwünschungen aus dem Fenster, zeigte die Faust und schlängelte sich durch die Blechlawine wie ein Aal durch Gelatine.
    Als er es mal wieder allen an einer Kreuzung gezeigt hatte, lachte er laut auf.
    »Hast du das gesehen?? Ich bin so obergeil«, lachte er. »Ich meine, echt, ich bin die Oberhammerkrönung, Alter! Manchmal überrasche ich mich selbst!«
    »Bist der Größte.«
    Er grinste.
    »Hat Anita geplaudert, ja?«
    Ich verdrehte die Augen und lotste uns weiter durch die Stadt. Es war wie eine Schnitzeljagd ohne Hinweise, aber wir kamen der Sache näher. Die Gegend wurde nobler, und schließlich hielten wir in einer Allee. Auf der Straße spielten fünf Kinder. Die Vorgärten waren gepflegt. Die Autos in den Einfahrten waren überwiegend Luxuskarossen. Wir schauten beide zum Haus Nummer fünfzig. Ein paar hundert Quadratmeter Wohnfläche, das Doppelte an Garten. Schön eingezäunt. Der Traum eines jeden Spießers. Eines Spießers mit Geld, das er in weibliche Begleitung investierte. In der Auffahrt stand ein Porsche, der uns verriet, dass der Eigentümer wahrscheinlich zu Hause war. Vielleicht hatte er heute auch nur den Zweitwagen stehen lassen.
    »Warte hier.«
    Ich stieg aus und drückte die Beifahrertür leise ins Schloss. Die Menschen in dieser Gegend hatten eine Menge Geld bezahlt, um ihre Ruhe zu haben. Ruhe war hier ein Zeichen von Wohlstand. Auf dem Land gab es das billiger. Vielleicht sollte ich Stille verkaufen. Vielleicht würden unbespielte CDs mein großer Durchbruch sein. Ich atmete durch und versuchte, hinter den Fenstern der Nummer fünfzig irgendwas zu erkennen. Nichts bewegte sich dort. Ich ertappte mich bei der Hoffnung, dass niemand zu Hause war. Ich ging los. Hinter mir stieg Rokko aus dem Wagen. Ich blieb stehen und sah ihn an.
    »Ich sagte doch …«
    »Was soll der Scheiß?«, unterbrach er. »Glaubst du, ich mach dir den Fahrer?«
    Ich starrte auf das Wagendach des GT.
    »Mensch, was ist das – eine Delle? Warte hier, du Depp.«
    Ich öffnete das brusthohe weiße schmiedeeiserne Zauntor und ging durch den Vorgarten. Als ich einen Blick über die Schulter warf, stand Rokko auf der Beifahrerseite und tat, als würde er mir nachschauen, während er das Wagendach scannte.
    Auf dem Klingelschild stand Laue. Im Haus bimmelte eine tiefe Glocke. Nach einiger Zeit hörte ich leise Geräusche auf der anderen Seite der Tür. Die Tür schwang auf, und vor mir stand ein gepflegt wirkender Fünfzigjähriger im Anzug. Er war um die eins achtzig und tief gebräunt. Er hatte ein schmales, spitzes Gesicht und wache hellblaue Augen, die mich freundlich musterten.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Herr Roland Laue?«
    »Wer will das wissen?«
    Ich zückte meinen Dienstausweis.
    »Polizei.«
    Er atmete scharf ein. Ich zeigte ihm meine Handflächen.
    »Nichts passiert. Es sind bloß ein paar

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