Nele Paul - Roman
schmerzten.
»Hatte sie an dem Abend viel getrunken?«
»Kann sein, ich habe nicht darauf geachtet, ich war die ganze Zeit im Gespräch.«
Eine Hummel flog träge gegen die Fensterscheibe. Meine Lippen waren trocken. Ich trank einen Schluck Wasser. Herr Laue beobachtete mich.
»Sie machen sich Sorgen um sie.«
Ich nickte, ohne zu zögern.
»Sie hatte wieder so einen Filmriss.«
Ich wusste nicht, warum ich ihm das erzählte. Er nickte verständnisvoll.
»Haben Sie Wechselwirkungen in Betracht gezogen? Alkohol in Verbindung mit … Sie wissen schon.«
»Was denn?«
»Medikamente, Drogen. Die meisten Mädchen nehmen was, um durch den Abend zu kommen. Nett sein ist harte Arbeit.«
Ich nickte.
»Ist Ihnen an dem Abend ansonsten irgendwas Merkwürdiges aufgefallen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Bis zu dem Moment, wo mir auffiel, dass sie verschwunden war, war es ein Geschäftsessen wie jedes andere.« Herr Laue sah auf seine Uhr. »Ich bin wirklich spät dran.«
Ich stellte das Glas auf den Tisch. Ein Schlüssel wurde draußen in die Haustür gesteckt. Schritte näherten sich, und eingut aussehender Mann im selben Alter wie Herr Laue betrat die Küche. Als er mich sah, blieb er stehen und schaute mich überrascht an.
»Oh! Hallo.«
Ich legte meine Karte auf den Tisch.
»Also, vielen Dank. Hier ist meine Nummer. Wenn Ihnen etwas einfällt, rufen Sie mich bitte an.« Ich schaute den Neuankömmling an. »Guten Tag. Polizei. Wir suchen Autodiebe, die sich in der Gegend herumtreiben. Haben Sie was beobachtet?«
Er runzelte die Stirn.
»Hm, nein, wann denn?«
Herr Laue lachte mich an.
»Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, aber vor Thomas habe ich keine Geheimnisse.«
Der Mann schaute zwischen uns hin und her.
»Geheimnisse?«
»Polizeihauptmeister Hansen glaubt, ich würde mit Escort-Mädchen ins Bett gehen.«
»Ach, wirklich?« Thomas sah Herrn Laue an, dann sah er mich an, dann wieder Herrn Laue. Irgendwie schien das komisch zu sein. »Vielleicht kann ich zu deiner Verteidigung beitragen.« Er küsste Herr Laue auf den Mund und sah mich an. »Hilft das bei Ihren Ermittlungen?«
Herr Laue feixte ganz offen.
»Sie sehen, ich habe keine Geheimnisse vor Thomas, im Gegenteil, er ist das Geheimnis, zumindest für meine Geschäftspartner. Damit es so bleibt, engagiere ich weibliche Begleitungen. Es ist wesentlich einfacher, mit Männern Geschäfte zu machen, wenn sie mich für hetero halten. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden? Ich komme so ungern zu spät.«
»Natürlich. Vielen Dank für Ihre Zeit und, Thomas, … danke für die Show.«
Thomas grinste.
»Für die Polizei doch gerne.«
Als ich zur Tür ging, folgte mir Herr Laue.
»Hat sie mittlerweile einen anderen Job?«
»Ja.«
»Freut mich. Passen Sie gut auf sie auf. Sie ist ein nettes Mädchen.«
»Mach ich. Danke.«
Als ich zum GT kam, war von Rokko nichts zu sehen. Ich sah mich um. Nichts. Die Straße war leer. Die Kids, die eben noch hier gespielt hatten, waren auch verschwunden, aber man hörte lautes Geschrei hinter einem der Häuser. Es klang fröhlich. Ich lehnte mich an den Wagen und dachte über eine Welt nach, in der Schwule Frauen mieten mussten, um mit Heteromännern Geschäfte zu machen. Vielleicht waren die Geschäftspartner ja auch schwul und hatten ebenfalls ihre Alibifrauen dabei. Vielleicht war die ganze Sache von Escort-Agenturen ausgeheckt worden, um den großen Reibach zu machen. Vielleicht …
Rokko kam hinter einer Hecke hervorgeflogen und stieg mehrere Meter hoch in die Luft. Er blieb einen Augenblick in der Luft stehen, dann verschwand er wieder hinter der Hecke. Ich blinzelte.
Schon kam er an derselben Stelle wieder hochgeflogen, drehte einen Salto und verschwand. Kinder grölten. Ich stieß einen Pfiff aus.
Als er wieder hochgeflogen kam, winkte er mir zu. Wenig später kam er aus einem der Vorgärten heraus und stolzierte grinsend auf mich zu.
»Mann, die Yuppiekids haben ein Trampolin im Garten und denken, sie haben’s drauf. Da musste das Landei ihnen mal zeigen, wo Vattern den Most holt.«
»Bring’s zurück.«
Er schaute mich überrascht an.
»Was denn?«
»Das Geld.«
»Mann, ich bin doch nicht zum Wetten hier.«
»Deswegen bringst du es ja zurück.«
Er sah mich einen Moment lang empört an, musste dann aber grinsen.
»Worum geht’s hier? Politisch korrekt sein oder pädagogisch wertvoll?«
»Mach’s einfach.«
»Nee, im Ernst, ist doch besser, die lernen möglichst früh, die
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