Nele Paul - Roman
Geschäftsführer. »Ich hab die Agentur mitgegründet.«
»Wir suchen ein Mädchen, das vor einem Jahr bei Ihnen beschäftigt war.«
»So, so, ein Mädchen, ist ja mal was ganz Neues.«
Die Glatze grinste. Rokko verlagerte sein Gewicht.
»Rokko«, sagte ich, ohne den Geschäftsführer aus den Augen zu lassen. »Frau Reichenberger. Sie hat hier gearbeitet.«
Er legte seinen Kopf schief und überlegte.
»Sagt mir nichts.«
Ich zog Neles Fotos aus der Tasche und hielt es ihm vor die Augen. Nach einem kurzen Blick nickte er.
»Ach, die.« Wieder legte er den Kopf schief. »Die war nur kurz bei uns.«
»Und?«
Er zuckte die Schultern.
»Sie machte ein paar Jobs und verschwand dann wieder.«
»Wieso?«
»Hören Sie, die Frauen kommen und gehen, ja? Manche probieren es nur mal aus, weil’s schnelles Geld ist, aber dann merken sie, wie hart der Job ist, und hören wieder auf. Viele, die hier aufkreuzen, erfüllen unsere Kriterien nicht, und die, die gut sind, bleiben im Schnitt nur ein Jahr dabei. Tracy war ein paar Monate bei uns, und seitdem habe ich sie nie wieder gesehen.«
»Dafür können Sie sich aber prima an sie erinnern.«
Er zog die Schultern hoch.
»Sie sah gut aus. Ein Exmodel. Die Kunden waren verrückt nach ihr, weil sie ein paar Promifotos in ihrer Setcard hatte. Die wollten unbedingt mit dem Mädchen ausgehen, das mit den Hollywoodstars ausgegangen war. Was hat sie denn verbrochen?«
»Irre«, sagte die Glatze und musterte das Foto in meiner Hand.
Ich sah ihn an.
»Wieso irre?«
Er warf seinem Chef einen schnellen Blick zu und wischte sich das Grinsen aus dem Gesicht. Ich kämpfte gegen das Verlangen an, ihn zu treten. Nele hatte Zeit mit solchen Arschlöchern verbracht. Die wussten Dinge über sie, die ich nicht wusste.
Rokko starrte die Glatze an.
»Mach’s Maul auf, oder wir fahren aufs Revier. Mit dem Scheiß, den du da in der Jacke hast, und deinen Vorstrafen wird’s ein schönes Paket.« Er gab dem Geschäftsführerseinen Schützenfestblick. »Anschließend kommt das Finanzamt, dann kommt die Sitte, und dann kommen wir noch mal. Wollen doch mal sehen, was geht.«
»Übrigens«, mischte ich mich ein, »schöne Grüße von Kriminalhauptkommissar Herbert. Er hätte da eine Zehn-Gramm-Frage. Wenn ich ihn anrufe, schaut er sich die Sache noch mal an.«
Der Geschäftsführer winkte nonchalant ab.
»Damit hatte ich nichts zu tun. Wir sind ein seriöses Unternehmen, wir unterziehen unsere Mitarbeiter keinem Drogentest. Manche der Mädchen nehmen halt Drogen, so wie viele andere Mädchen auch. Was die in ihrer Freizeit machen, geht uns nichts an, und natürlich können wir nicht verhindern, dass da mal was genommen wird oder sie sich in unsere Kunden verlieben, das unterliegt alles nicht unserer Obhutspflicht.«
»Mir kommen gleich die Tränen«, murmelte Rokko.
»Wieso? Schauen Sie mal.« Er deutete auf ein paar Fotos an der Wand. »Sehen Sie? Alles Kunden von uns, die geheiratet haben.«
Ich riskierte einen Blick und sah nichts als unattraktive alte Männer mit attraktiven junge Frauen. Wenn Fotos sprechen könnten, hätten wir jetzt eine Menge Akzente gehört. Der Geschäftsführer nickte, als würde er uns wirklich überzeugen wollen.
»Wir bieten niveauvolle Begleitung für gesellschaftliche Anlässe. Würden wir dabei Sex oder Drogen verkaufen, würde unser Ruf leiden, und das wäre kontraproduktiv fürs Geschäft.«
»Tracy«, erinnerte ich ihn. »Wieso nennt Ihr Mitarbeiter sie irre?«
»Es war bloß ein Missverständnis«, wiegelte er sofort ab. »Sie meinte, ein Kunde hätte sie angefasst. Er sagte, er wollte ihr nur helfen. So etwas passiert. Manchmal sind die Grenzen zwischen einer erotischen Begleitung und einersexuellen Handlung fließend. Ist ein Küsschen noch korrekt? Eine Hand, die um die Taille gelegt wird? Ab wann wird ein Kompliment schlüpfrig?«
»Wenn ich ’ne moralische Instanz brauche, ruf ich Sie an. Was ist, wollen Sie die Fragen lieber auf der Wache beantworten?«
Er streckte mir seine Handflächen entgegen.
»Was sollte ich denn machen? Die hat dem Kunden die Nase gebrochen. Die Nase. In einem öffentlichen Lokal.« Er sah uns der Reihe nach an, damit wir auch ja wussten, wie hart das für ihn gewesen war. »Der Kunde hat sie angezeigt und leider auch uns. Als könnten wir was dafür.« Er schaute entrüstet drein. »Natürlich mussten wir ihr daraufhin kündigen.« Er sah meinen Blick und zuckte die Schultern. »Unsere Kunden lieben
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