Nele Paul - Roman
Diskretion, und es ist schlechte Publicity, wenn sie in der Öffentlichkeit verprügelt werden.« »Irre«, sagte die Glatze.
Irgendwas flimmerte vor meinen Augen. Ich zog meinen Kopf zwischen die Schultern, stieg auf seine Füße, stieß ihm meinen Schädel ans Kinn und schlug ihm so hart ich konnte auf den Solarplexus. Er taumelte stöhnend zurück, lief gegen die Couch, knickte ein und setzte sich.
Rokko fasste mich am Arm. Die Glatze rollte sich langsam auf die Seite und hustete. Ein Teleskopschlagstock rutschte ihm aus der Jacke und fiel mit metallischem Klang zu Boden. Rokko grinste.
»Sag ich doch.« Er trat gegen den Schlagstock. Das Ding kullerte über den Boden und verschwand hinter dem Schreibtisch. Er sah mich kurz an und wandte sich dann wieder dem Geschäftsführer zu, der das Ganze regungslos verfolgt hatte. »So. Da hätten wir unerlaubten Waffenbesitz, Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Beschäftigung eines Arschlochs, dessen Körper das Symbol einer verfassungswidrigen Organisation schmückt, und das ist erst der Anfang – hör ich jetzt was?«
Er zeigte uns wieder die Handflächen.
»Jungs, kommt schon, das hier tut mir leid.«
»Was? Dass Sie bewaffnete Nazis beschäftigen und Frauen ausbeuten?«
Irgendwas verzog sich in seinem Gesicht.
»Was soll ich tun? Die einen wollen schöne Frauen, die anderen wollen Geld. Ich helfe beiden bloß zu bekommen, was sie sich sonst woanders holen würden. So ist die Welt. Ich hab sie nicht erfunden.«
»Ich kotz gleich«, murmelte Rokko und behielt die Glatze im Auge.
»Gab es weitere Vorfälle dieser Art?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Hatte sie Freunde oder Kollegen, denen sie besonders nahestand?«
»Ich weiß es nicht.«
»Okay, ab auf die Wache. Schauen wir mal, was Kriminalhauptkommissar Herbert zu der Sache sagt.«
Sofort nickte er. Er tat erst gar nicht, als wäre es ihm erst jetzt eingefallen.
»Tracy wohnte in einem der Agenturapartments, die wir den neuen Mitarbeitern zur Verfügung stellen. Sie teilte sich die Wohnung mit einem der anderen Mädchen. Vielleicht weiß die was.«
»Name und Anschrift.«
»Tja, ich weiß nicht … Nicht, dass die Kleine mich nachher anzeigt … Sie wissen ja, Datenschutz.«
Ich trat einen Schritt auf ihn zu. Rokko schob sich dazwischen und legte mir eine Hand auf die Brust.
»Wieso wartest du nicht draußen? Ich komm gleich.«
Ich starrte den Geschäftsführer kurz an, dann drehte ich mich um, ging raus und schlug die Tür hinter mir zu. Ich marschierte an der Empfangsdame vorbei, die mir einen schönen Tag wünschte, und verschwand im Fahrstuhl.
Als ich auf die Straße kam, war der Penner verschwunden.Ich ging zu der Bank und setzte mich. Niemand würdigte mich eines Blickes. Ich lehnte mich zurück und versuchte, meinen Atem zu kontrollieren. Die Sonne schien. Menschen gingen zur Arbeit. Ein Fahrradbote fuhr vorbei. Irgendwo lachte ein Kind. Meine Hände zitterten.
Hundert nicht schauende Passanten später kam Rokko aus dem Gebäude und sah sich um. Als er mich entdeckte, kam er grinsend auf mich zu.
»Mann, ich hatte ganz vergessen, wie du im Außendienst bist. Da kommt ja voll das Tier durch.«
»Tut mir leid.«
»Scheiße, wieso? Das ist cool! Mischen wir die City auf! Schau mal, was Onkel Rokko hier hat.«
Er wedelte mit einem Zettel. Ich schnappte nach dem Papier. Eine Handynummer.
»Wo ist die Adresse?«
»Mann, das ist die Nummer der Süßen vom Empfang.« Er grinste breit. »Bloß um in Übung zu bleiben.«
Ich sah ihn an. Offensichtlich hatte Anita noch nicht mit ihm gesprochen.
»Für dich hab ich auch eine«, sagte er und zog einen anderen Zettel hervor. »Hier sind Name und Adresse von ›Tracys‹ ehemaliger Mitbewohnerin.«
Ich schnappte mir den Zettel. Die Adresse sagte mir nichts. Den Namen dagegen kannte ich. Momo Hassler. Die Frau, die mit den zehn Gramm Kokain erwischt worden war.
Als wir in den GT einstiegen, kam die Glatze aus dem Gebäude und sah zu uns rüber. Rokko erschoss ihn mit einem Finger, steckte den Schlüssel ins Schloss, doch bevor er startete, grinste er mich an.
»Mann, und all die Jahre machst du einen auf Innendienstschlaffi.«
»Tut mir leid.«
»Jaja, versprich mir nur, dass wir ab und zu in die Stadt fahren.«
Er lachte und drehte den Zündschlüssel. Ich vergrub mich in die Straßenkarte und lotste uns durch die Stadt. Ich versuchte, mich gegen weitere Überraschungen zu wappnen.
Nach einer weiteren Irrfahrt, die uns
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