Nele Paul - Roman
Fragen. Dauert keine Minute.« Ich achtete auf seine Augen. »Tut mir leid, dass ich so mit der Tür ins Haus platze.«
Er blinzelte.
»Worum geht es?«
»Um die Anzeige, die Sie gegen die Begleitagentur zu Protokoll gegeben haben.«
Seine Augen huschten nicht etwa verschämt an mir vorbei, um zu sehen, ob die Nachbarn schauten. Er nickte bloß und musterte mich.
»Entschuldigen Sie, kann ich Ihren Ausweis bitte noch mal sehen?«
»Natürlich.«
Ich zeigte ihm den Ausweis. Er sah ihn sich genau an und ließ mich dann eintreten.
»Ich muss eigentlich in die Firma …«
»Dauert nicht lange«, versprach ich und folgte ihm durch große, helle Räume, die spartanisch, aber teuer eingerichtet waren. Viel afrikanische Kunst. Wir gingen durch ein Wohnzimmer und von dort in eine helle Küche. Die Sonne schien durch eine ganze Fensterfront herein. Auf dem Küchentisch standen frische Schnittblumen.
»Kann ich Ihnen etwas Kaltes anbieten?«
»Champagner.«
Er verharrte am Kühlschrank und warf mir einen Blick zu. Ich lächelte.
»Kleiner Scherz.«
»Ah«, sagte er und lächelte ebenso freundlich. »Man könnte wirklich einen vertragen, aber …« Er zog die Schultern entschuldigend hoch und öffnete den Kühlschrank. »Wasser?« »Perfekt.«
Er holte eine Flasche Sprudel aus dem Kühlschrank, an dem eine afrikanische Maske als Magnet hing.
»Sie mögen Afrika?«
»Bitte?« Er folgte meinem Blick. »Ach das, nein, meine Eltern liebten den Schwarzen Kontinent. Das ganze Haus ist voll davon, und ich bringe es nicht übers Herz, was wegzuschmeißen. Manchmal denke ich, ich lebe in einem Museum.«
»Ein Elternmuseum. Keine schlechte Idee.«
Jetzt bekam ich ein richtiges Lächeln.
»Ja, das hätten viele verdient.« Er schenkte ein und stellte das Glas vor mich hin. »Also, wie kann ich Ihnen helfen?« Ich atmete durch. Gleich würde ich etwas über Nele erfahren.
»Sie haben gegen diesen Escort-Service und Ihre Begleiterin Anzeige erstattet, aber die Anzeige gegen die Begleiterin später wieder zurückgezogen. Warum?«
Er stand einen Augenblick still, dann stellte er die Wasserflasche in den Kühlschrank und schloss die Tür.
»Sie hat sich entschuldigt.«
Ich sah ihn überrascht an.
»Eines Morgens stand sie vor der Tür, genau wie Sie heute. Sie hatte einen Blumenstrauß dabei und hat sich entschuldigt. Sie meinte, sie habe an dem Abend zu viel getrunken und dachte, ich würde sie … na ja, Sie wissen schon.«
»Und Sie haben nicht … na ja, ich weiß schon?«
Er lächelte schwach, wie über einen Witz, den nur er verstand.
»Sie ist nicht mein Typ.«
»Warum engagieren Sie sie, wenn sie nicht Ihr Typ ist?«
»Weil sie hübsch ist? Hören Sie, ich weiß, was Sie denken, und in den meisten Fällen wahrscheinlich zu Recht, aber diesmal nicht. Ich brauche manchmal eine attraktive Frau an meiner Seite, wenn ich zu gesellschaftlichen oder geschäftlichen Empfängen gehe. Punkt.«
Ich nickte und sah mich um. Das Haus schien von einer Frau eingerichtet worden zu sein, aber er wirkte bei dem Thema völlig unbefangen. Vielleicht war er ja geschieden und noch nicht über die Trennung hinweg. Vielleicht engagierte er ja deswegen junge, hübsche Exmodels ohne jeden Hintergedanken. Vielleicht war er ja mehr so der väterliche Freund. Vielleicht gab’s den Yeti.
»Worum geht es? Sie steckt doch hoffentlich nicht in Schwierigkeiten?«
»Nein, nein. Würde es Ihnen etwas ausmachen, den Tathergang noch einmal zu schildern?«
Er schaute auf seine Armbanduhr, die wahrscheinlich mehr gekostet hatte, als ich im Jahr verdiente.
»Sie begleitete mich zu einem Geschäftsessen. Es war ziemlich langweilig. Zahlen, Statistiken, so was. Nach dem Essen ging sie auf die Toilette und kam nicht wieder. Ich dachte, sie wäre gegangen, das ist mir schon mal passiert, allerdings bei einer anderen Agentur. Irgendwann ging ich nachschauen und fand sie in einer der Kabinen.« Er sah meinen Blick und winkte ab. »Die Tür war nicht abgeschlossen,und sie war komplett angezogen. Ich öffne also die Tür. Sie sitzt völlig regungslos da. Ich frage sie, ob alles in Ordnung ist. Sie reagiert nicht. Ich berühre sie an der Schulter, und im selben Moment rastet sie aus. Sie schreit mich an und schlägt nach mir, also wirklich, sie war völlig außer sich, und ich weiß bis heute nicht, warum.«
Ich stellte mir Nele vor, wie sie alleine auf einer Restauranttoilette saß. Gefangen in irgendwas, das ich nicht verstand. Meine Finger
Weitere Kostenlose Bücher