Nele und der indische Prinz - Nele ; [6]
Geburtstagsparty.
Prinz Usi stand strahlend auf einer umgedrehten Obstkiste und ließ sich fotografieren. Er hatte für den Fototermin ein knallrotes Festkleid angezogen und auf seinem Kopf saß ein blütenweißer Turban. Auf seiner rechten Schulter thronte schnatternd Kukie in einem winzigen Matrosenanzug und bewarf die Schaulustigen mit Walnussschalen.
Nele hielt sich die Hände vor das Gesicht. »Ich kann gar nicht hingucken. Was sagt denn Mama dazu?«
David stellte sich neben Nele und starrte kopfschüttelnd auf den Hof.
»Frag sie selber … oder lieber nicht. Sie will gleich in die Stadt fahren, um ihre Fotogeschichte abzuliefern, und hat gedroht, dass sie erst wieder heimkommt, wenn der Hof geräumt ist.«
Er guckte auf Neles Gockelwecker. »Mist, ich muss mich beeilen. Mama will mich in ihrem Auto mitnehmen, aber nur wenn ich mich rechtzeitig fertig mache. Der Schulbus ist gerade weg …«
Auch Nele hatte es an diesem Morgen besonders eilig. Ohnehin hatte niemand aus der Familie Winter Lust auf ein ausgedehntes Frühstück.
Die fotografierende Meute unten im Hof machte viel zu viel Lärm. »Wenn ich erst mal den großen Rasenmäher anwerfe, verschwinden die Leute ganz von selber«, sagte Robert Winter gelassen. »Macht euch doch nicht über alles so einen Kopf. Nur Sammy bleibt heute besser im Haus bei dir, Onkel Edward, sonst beißt er noch jemanden in die Wade.«
Mit ausgefahrenen Ellbogen bahnte sich Nele einen Weg durch die Leute. Heute war sie richtig froh, in die Schule zu gehen. Auf dem Schulweg traf sie Lukas auf seinem Fahrrad und daneben joggte Tanne mit ihrem Hund Otto.
»He, Nele!«, rief Tanne gut gelaunt. »Schade, dass du Sammy nicht mithast. Dann könnten die zwei auf dem Heimweg miteinander spielen.« Jetzt erst bemerkte sie Neles finstere Miene. »Was ist los?«, fragte sie erschreckt.
»Josefine ist eine ganz miese Verräterin«, berichtete sie aufgebracht.
»Wieso?«, fragte Lukas und stieg neugierig von seinem Fahrrad ab.
»Habt ihr keine Zeitung gesehen heute früh?«, fragte Nele. »Josefine hat alles ausgeplaudert, sogar dass Usi in Tante Adelheid verliebt ist, und jetzt ist unser ganzer Hof voll mit Leuten, die den Prinzen fotografieren wollen«, klagte sie.
»Himmel und Gewitterwolken«, stöhnte Tanne. »Und ich bin daran schuld.« Vor Schreck brach sie in Tränen aus.
»Quatsch«, sagte Nele und nahm ihre Freundin in den Arm. »Josefine ist schuld und Usi. Josefine, weil sie gequatscht hat, und Usi, weil er so eitel ist.«
Lukas nickte zustimmend. »Und Josefine kriegt von mir jetzt so was zu hören, dass ihr eine Woche lang die Ohren klingeln.«
Aber wie dumm – ausgerechnet heute war Josefine auf einem Reitturnier in der Kreisstadt. Ihre Eltern hatten Frau Kussmund tatsächlich überreden können, Josefine einen Tag freizugeben.
»Geschickt eingefädelt«, meckerte Lukas. »Sie weiß schon, dass sie sich heute besser nicht blicken lässt.«
Ausgerechnet dieser Vormittag ging im Sturmschritt vorbei. Nicht mal eine viertel Ewigkeit war vorüber, da klingelte es schon zum Schulschluss.
»Heute Abend bete ich in meinem Nachtgebet, dass ein Wunder passiert und Prinz Usi wieder abreist«, versprach Tanne, als sie sich an der Wegkreuzung trennten.
»Und ich, dass der Ring wieder auftaucht«, sagte Lukas.
»Boah, ihr seid echt lieb«, sagte Nele und wischte sich eine kleine Träne aus dem Augenwinkel. »Ich wünsche mir heute Abend, dass alles wieder normal ist. Ich würde sogar meine Geschenke zurückgeben, obwohl die Armreife echt schön sind.«
Für das letzte Stück Weg brauchte Nele doppelt so lange wie sonst. Aber als sie im Schneckentempo auf den Burghof schlenderte, war er menschenleer. Nur Herr Winter war zu sehen. Er reparierte den Brunnen.
»Sind alle weg?«, fragte Nele überrascht. »Wo ist denn Usi?«
»Ich sag’s doch«, grinste Herr Winter. »Mein Rasenmäher ist spitze. Was glaubst du, wie schnell die alle verschwunden waren. Die Letzten sind abgehauen, als ich die Mischmaschine angestellt habe.«
Nele nahm ihren Papa stolz in den Arm. Er wusste einfach immer Rat.
»Usi ist bei der Zeitung und gibt ein langes Interview über sein aufregendes Leben«, berichtete Herr Winter weiter. »Kukie hat er mitgenommen.«
Er guckte verschmitzt. »Mama ist noch in der Stadt und bringt David mit, Adelheid ist mit Sammy spazieren und Onkel Edward schläft. Ist also heute Nachmittag richtig friedlich. Was hältst du von einer leckeren Tasse Kakao?«
Nele
Weitere Kostenlose Bücher