Nele und der indische Prinz - Nele ; [6]
Schnürsenkel aus seinen Schuhen, in der Nacht darauf waren sie miteinander verknotet und hingen wie eine dünne Wäscheleine im Rittersaal. Am übernächsten Tag suchte der Prinz vergeblich seine linken Socken. Am nächsten Morgen tauchten sie wieder auf, aber dafür fehlten jetzt alle rechten.
Es war wirklich zum Verzweifeln.
Sosehr der Prinz sich auch anstrengte: Er erwischte Graf Kuckuck einfach nicht auf frischer Tat. Nur Kukie eroberte ein Stück weißes Leinen, das anscheinend dem Grafen gehörte. Aber das brachte Usi auch nicht weiter.
Weil Adelheid ihn ausgelacht hatte, war er immer noch beleidigt. Schließlich überwand er seinen Stolz und klagte ihr unter Tränen sein Leid.
»Ich habe dich gewarnt, Usi!«, seufzte Adelheid. »Mit einem Geist ist nicht zu spaßen. Dem ist es egal, ob du ein Prinz bist oder eine alte Oma. Du bist bei ihm unten durch seit der Rittergeschichte und deshalb ärgert er dich. Am besten, du kümmerst dich nicht darum. Sonst foppt er dich immer weiter.«
Und das stimmte. Die Streiche nahmen kein Ende.
Schließlich wusste niemand mehr einen Rat.
»Am besten wäre, er fährt wieder nach Hause«, sagte Lukas. »Ich glaube nicht, dass Graf Kuckuck sich so schnell beruhigt.«
Tanne nickte eifrig. »Ja genau. Ich will auch, dass er endlich wieder abreist. Ich traue mich sonst gar nicht, bei dir zu übernachten, Nele. Hätte ich den Grafen auf dem Klo getroffen, wäre ich tot umgefallen.«
»Ich glaube, inzwischen hat ihn sogar Großtante Adelheid satt«, stimmte Nele zu. »Ich habe sie dabei erwischt, wie sie ganz oft vor sich hin seufzte. Zwischen ihr und Onkel Edward herrscht nämlich immer noch dicke Luft. Er hat vor Kummer schon knallrote Augen und ich glaube, er schläft schlecht. Gestern beim Mittagessen ist er einfach nach vorne gekippt und eingeschlafen. Da hatte er die ganze Nasenspitze voller Apfelmus.« Sie mussten total lachen.
»Ich glaube nicht, dass er abreist, bevor er seinen Ring gefunden hat«, sagte Tanne. Und damit hatte sie vermutlich ziemlich recht.
Nele hätte noch gerne länger mit Lukas und Tanne über ihre Sorgen geredet. Denn mittlerweile dehnte sich der Besuch von Prinz Usi länger als eine ganze Ewigkeit aus. Aber da kam bereits Frau Kussmund und brachte die Fotos von der Klassenfahrt mit. So wurde es überraschend ein richtig lustiger Vormittag.
Wer weiß, wie die ganze Sache weitergegangen wäre, wenn gerade an diesem trüben Herbsttag nicht plötzlich die Sonne hinter den Wolken hervorgelugt hätte. Ausgerechnet in dem Moment, als Nele durch das Burgtor spazierte, beschloss die Sonne, sich noch einmal richtig ins Zeug zu legen, bevor das Wetter endgültig ungemütlich wurde.
Auf einmal funkelte es von der höchsten Burgzinne heller als das Licht eines Kometen. Nele wunderte sich. Wer saß denn dort oben und schickte ihr Zeichen? Plötzlich hatte Nele einen Geistesblitz.
»Der Ring!«, brüllte sie los. »Auf der Burgzinne liegt der Ring von Usi.«
Aufgeregt versammelten die Winters sich auf dem Hof. Nur David fehlte, weil er noch in der Schule war. Prinz Usi stürmte barfuß und in kurzen Hosen und T-Shirt herbei. Aus Angst um seine schönen Kleider hatte er alles zurück in seine Koffer gepackt und diese mit mehreren Vorhängeschlössern gesichert.
Prinz Usi zögerte nicht lange. Wie ein geübter Bergsteiger kletterte er ohne Seil über die Balustrade des Turmzimmers hinauf zu den Zinnen.
»Hab ihn!«, rief Prinz Usambara glücklich und schwenkte den Ring wie eine Trophäe. Erneut verirrten sich die Sonnenstrahlen in dem grünen Stein. Das sah wunderschön aus.
»Donnerwetter!«, sagte Robert Winter. »Hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Ich dachte wirklich, er ist ein Feigling.«
Großtante Adelheid lächelte stolz. »Nein, natürlich ist er kein Feigling. Sonst wäre ich doch nicht drei Tage mit ihm verlobt gewesen.«
Nur Sir Edward brum- melte vor sich hin. »Wenn man schwindelfrei ist, ist das kein großes Kunststück.« Er verschwand in die Burg, bevor der Prinz wieder heruntergeklettert war.
»Nele, du bist wirklich ein Schatz!«, strahlte Prinz Usi, als er wieder festen Boden unter seinen Füßen hatte. Er schnappte die überraschte Nele und gab ihr einen dicken Schmatz.
»Das muss gefeiert werden«, rief er froh und steckte sich seinen Smaragdring wieder an den kleinen Finger. »Eine Runde Pizza für alle!«
Er rannte in die Küche, um schon mal den Tisch zu decken, während Barbara Winter die Bestellung am Telefon
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