Nele und der indische Prinz - Nele ; [6]
genoss es, mit ihrem Vater gemütlich zusammenzusitzen. Und er war der Einzige, der es schaffte, dass sich nicht so eine dicke Haut auf dem Kakao bildete. Nicht mal Großtante Adelheid kriegte das hin.
»Wie findest du den Usi eigentlich?«, fragte Nele und tunkte ihren Keks tief in die braune Flüssigkeit.
»Witzig«, antwortete ihr Vater, ohne zu überlegen. »Und du?«
Nele zuckte mit den Achseln. »Eher nervig«, sagte sie ehrlich. »Bis auf die niedlichen Geschenke. Aber ich finde nicht gut, dass Onkel Edward wegen ihm eifersüchtig sein muss. Dass er ihm eine Mausefalle geschenkt hat, fand ich auch nicht nett. Alle anderen Geschenke waren viel schöner. Und die Handtücher im Badezimmer wirft er einfach auf den Boden und nach dem Duschen wischt er nicht und deshalb ist alles immer pitschnass. Außerdem stopft er so viel Kuchen in sich hinein, dass für David und mich immer nur ein zweites Stück bleibt.«
Herr Winter lachte. »Das sind wirklich sehr viele Minuspunkte«, gab er zu. »So ist das eben, wenn man Prinz ist. Dann lernt man nicht alles, was im Leben wichtig ist. Ich glaube aber, er meint es nicht böse. Er kennt es nur nicht anders. Eigentlich will er doch zu jedem nett sein.«
Nele nickte. »Stimmt. Die Einzige, die manchmal streng zu ihm ist, ist Großtante Adelheid. Die behandelt ihn gar nicht wie einen Prinzen, sondern normal.« Sie dachte einen Moment nach. »Früher wollte ich auch immer gerne eine Prinzessin sein. Aber jetzt nicht mehr. Dann wäre ich vielleicht auch so zickig.« Sie trank ihren Becher, ohne einmal Luft zu holen, leer.
»Allerdings gibt es auch Zicken, die keine Prinzessinnen sind«, entgegnete Herr Winter.
Nele kicherte wie ein Kobold. »Oh ja. Jo sefine zum Beispiel. Die ist zickiger als Prinzessinnen-Drillinge.« Sie stand auf, weil ihr einfiel, dass sie Tanne versprochen hatte, sie so schnell wie möglich anzurufen, wenn sie zu Hause war.
Schlappe drei Stunden quatschte Nele mit ihrer besten Freundin. Sie kauten alles Mögliche durch: Prinz Usi, Großtante Adelheid, den gestohlenen Ring, fliegende Teppiche und natürlich Graf Kuckuck.
Tanne hatte extra noch einmal die Burgchronik aus der Schulbücherei von vorne bis hinten durchgeblättert. Aber einen nützlichen Hinweis auf die Schatzkammer hatte sie nicht gefunden.
»Und wenn wir einfach noch mal auf eigene Faust ins Verlies hinunterklettern und uns ein wenig umsehen? Papa hat eine nagelneue Taschenlampe, die leuchtet heller als jeder Scheinwerfer.«
Statt einer Antwort hörte Nele nur ein irres Krächzen durch die Leitung.
»Tanne?«, rief sie. »Hast du was verschluckt oder so?«
Aber es war nur ein besonders erschreckter Aufschrei. »In euer Burgverlies bringen mich keine zehn Schatzkammern«, sagte Tanne. »Frag doch deinen Bruder. Der ist ja momentan richtig cool.«
Gar keine schlechte Idee.
Aber als David endlich mit Barbara Winter auftauchte, war er ziemlich mies gelaunt. Erst hatten beide auf der Fahrt in die Stadt eine Reifenpanne gehabt und David war zu spät zur ersten Stunde gekommen. Und dann war Julia direkt nach der Schule mit Paul ins Kino abgedüst. Das war schlimmer als jeder nervige Prinz oder ein gestohlener Smaragdring.
David verzog sich ohne Abendbrot in sein Zimmer, warf seine Anlage an und war für niemanden mehr zu sprechen. Nicht einmal für Nele.
Alleine hatte Nele keine Lust auf das Verlies und so verschwand auch sie direkt in ihr Zimmer. Sie hatte ganz vergessen, ihre Hausaufgaben zu machen, so lange hatte sie mit Tanne telefoniert. Für die nächste Deutschstunde musste Nele noch ein ganz langes Gedicht auswendig lernen.
Deshalb zog sie schon einmal ihren Schlafanzug an und putzte sich die Zähne, bevor sie es sich mit ihrem Lesebuch im Bett gemütlich machte. Das Gedicht handelte von einem Schmetterling, der seinen Namen zu brutal fand, und einem Lindwurm, der lieber einen wilden Namen haben wollte. Eigentlich eine echt süße Geschichte, aber furchtbar schwer auswendig zu lernen. Schließlich schlief Nele mit der Nasenspitze zwischen den Seiten einfach ein.
Als sie mitten in der Nacht aufwachte, musste sie ganz dringend auf die Toilette. In der Burg war das Klo nicht direkt um die Ecke, und deshalb musste sich Nele erst einen ewig langen dunklen Flur hinuntertasten, weil das Flurlicht kaputt war. So schnell wie möglich machte sie Pipi und rannte zu ihrem Zimmer zurück. Sie war nicht besonders ängstlich, aber mitten in der Nacht kam ihr die Burg ganz schön gruselig
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