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Nelken fuers Knopfloch

Nelken fuers Knopfloch

Titel: Nelken fuers Knopfloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Blick zu, zog die Beine an und schnellte empor. »Um mit dem alten Briest zu sprechen, Marcel: Das ist ein weites Feld. — Warte, ich hole uns nur ein paar Zigaretten.«
    Sie lief mit wehenden Haaren über den Rasen ins Haus und kam bald mit den Zigaretten und einem Feuerzeug zurück. Sie entzündete an einer Flamme zwei Stäbchen und schob ihm eines davon zwischen die Lippen. Es war eine Geste zärtlicher Vertraulichkeit.
    »Danke, Heli!« Er blies den Rauch genußvoll in die Luft. »Und jetzt erzähl mir die Geschichte weiter, ich werde dich nicht mehr unterbrechen.«
    Heliane hockte sich neben ihn, sie schlang die Hände um die Knie und sah mädchenhaft jung und anmutig aus.
    »Also, der arme Punch erfährt, daß er betrogen wird und daß die Frau ihn immer nur als breitmäuligen, rotnasigen Clown sieht und sich vor ihm ekelt und ihn verachtet. In einer heftigen Auseinandersetzung mit dem Liebhaber steht Punch in der Gefahr, erstochen zu werden; er lenkt das Messer ab, das dem anderen in den Hals fährt, und wird schließlich durch seinen Hund von den Zirkusleuten befreit, die ihn festhalten wollen. In der Furcht, den anderen getötet zu haben, läuft er davon, verbirgt sich eine Zeitlang, irrt durch das Land, verfällt dem Alkohol und sinkt so tief, daß er schließlich als Bettelmusikant auf den Hinterhöfen spielt...«
    »Ich verstehe«, er nickte, »und dann geht es mit dem armen Punch eines Tages wieder flott aufwärts, denn er erfährt natürlich, daß sein Gegner quicklebendig ist, nicht wahr?«
    Sie setzte die dunkle Brille auf und beobachtete ihn, ohne daß er ihre Augen sehen konnte. Eine kleine Weile hüllte er sich in Schweigen, mit seinem scharfen Profil wie ein Indianerhäuptling anzuschauen, der seinen Kalumet schmaucht.
    »Sei mir nicht böse, Heli«, sagte er schließlich, »aber ich finde die ganze Geschichte einfach schauerlich! Und ich finde es noch schauerlicher, daß Michael sich zu so etwas hergibt. Ich weiß natürlich, daß jeder Schauspieler davon träumt, einmal in der Rolle eines großen Clowns aufzutreten. Aber muß es solch eine fürchterliche Schnulze sein?«
    Heliane hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Das verstehst du nicht, Marcel. Und ehrlich gesagt, manchmal verstehe ich es selber nicht ganz. Aber Michael braucht Breitenwirkung. Er braucht einfach das große Publikum.«
    »Und das Geld des großen Publikums, nicht wahr?«
    »Schlicht gesagt: ja!«
    »Nun, dann will ich nur hoffen, daß das breite Publikum ihm seine Gunst erhält. Mir wäre nicht sehr wohl dabei. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er bei solchen Rollen als Künstler stärker wird.«
    »Glaubst du denn, darüber macht sich Michael keine Gedanken? Ich bewundere dabei nur, was er selbst aus solchen Rollen herausholt. Er arbeitet daran mit einer Intensität...«
    «... die einer besseren Sache würdig wäre! Das wolltest du doch sagen, nicht wahr?«
    Heliane zögerte mit der Antwort. »Vielleicht... Aber ich hüte mich davor, mich so tief in Michas ureigenste Angelegenheiten zu mischen. Er kann sehr empfindlich sein. Und was er tut, muß er schließlich vor seinem künstlerischen Gewissen verantworten.«
    Künstlerisches Gewissen...! dachte Etienne, aber er ließ es sich nicht anmerken, daß er dafür in einer eifersüchtigen Anwandlung Eitelkeit, Ruhmsucht, das Haschen nach Popularität um jeden Preis und alle anderen Schwächen einsetzte, die in Pfortens zwiespältigem Charakter seinen guten Eigenschaften die Waage hielten. Er schob sich höher in den Schatten des rot-weißen Sonnenschirms hinauf und nahm hinter halbgeschlossenen Lidern den Schimmer von Helianes Haut wahr, die in dem warmen Nachmittagslicht kupferne Töne annahm. Und dann hörten sie beide das Hornsignal, mit dem Pforten sein Kommen schon aus weiter Ferne ankündigte.
    Heliane richtete sich auf. »Er muß wie ein Verrückter gefahren sein. Irgendwann wird er sich dabei noch den Hals brechen...«
    Pforten nahm sich nicht die Zeit, den Wagen in die Garage zu fahren, sondern ließ ihn mitten auf dem Weg im Schatten einer alten Buche stehen und kam quer über den Rasen auf Marcel zu. Und er warf Heliane einen Handkuß hinüber, während er Etienne herzlich umarmte und abklopfte, als müsse er sich von dessen tatsächlicher Gegenwart handgreiflich überzeugen.
    »Wunderbar, Marcel, daß du wieder einmal bei uns bist! Wir haben oft von dir gesprochen und uns immer gewünscht, daß du deine alten Azteken in ihren Gräbern ruhen läßt und

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