Nelken fuers Knopfloch
eintreffen. — Ach, Primelchen, könnten Sie nicht in Hartenstein im >Pfauen< anläuten und ihm für eine Nacht ein Zimmer bestellen?«
»Gern, Manfred...« Sie nickte ihm zu und ging gleich quer über den Fußballplatz zum Sekretariat, um seine Bitte zu erfüllen.
»Der berühmte Onkel Marcel...!«
Manfred drehte sich um: »Ach, du bist’s, Grafenstetter. — Ja, der berühmte Onkel Marcel! Oder paßt dir etwas daran nicht?«
Er stand sich mit Klaus Grafenstetter seit einiger Zeit nicht mehr besonders gut, aber das lag nicht an ihm. Grafenstetter galt als Streber, und er traf überall auf Manfred Pfortens Konkurrenz, ohne daß Manfred sich bewußt darum bemüht hatte, Grafenstetter in den Schulfächern oder im Sport aus dem Sattel zu heben. Jahrelang war Grafenstetter Klassenprimus gewesen, bis ihn dann Manfred eines Tages einholte, spielerisch, ohne Neid und mißgünstigen Ehrgeiz. Er hatte sich einfach in den zwei letzten Jahren geistig und auch körperlich besser als der andere entwickelt.
»Ein Forscher und Entdecker, nicht wahr?« Grafenstetter grinste und schnüffelte, als röche es nicht gut.
»Schlecht gelaunt, Herr Grafenstetter, weil du die Latte gerissen hast? Take it easy, old boy...«
»Wußte gar nicht, daß der berühmte Forscher nicht nur olle Mumien, sondern auch Findelkinder ausgräbt...«
Manfred sah ihn verständnislos an.
»Was soll das, Klaus, spinnst du plötzlich?«
»Nicht, daß ich wüßte! Aber ich kenne andere Leute, die uns dauernd was von ihren berühmten Vätern und Renommieronkeln vorspinnen und weiß der Teufel wo herkommen — Herr Manfred Pforten! Ich finde, es wird Zeit, daß du mit dem Quatsch Schluß machst!«
Manfred sah seinen Klassenkameraden an, als begänne er ernsthaft an dessen Verstand zu zweifeln.
»Sag mal, Klaus, was ist eigentlich los? Im Ernst, ich verstehe kein Wort. Was soll also der Blödsinn? Und womit soll ich Schluß machen?«
»Du sollst endlich aufhören, dich als Sohn von Herrn Michael Pforten, Schnulzenstar und Nummer eins in der Klatschspalte >Wer mit wem?<, auszugeben, wenn du es nicht bist! Hast du mich jetzt verstanden?!«
»Ich habe dich nicht verstanden«, sagte Manfred gefährlich ruhig, »aber ich habe das Gefühl, es wird höchste Zeit, daß ich dir die Schnauze poliere!« Seine Hand zuckte vor, Grafenstetter tauchte blitzartig ab, aber es war nicht Manfreds Absicht gewesen, dem anderen einen Kinnhaken zu verpassen. Er packte Grafenstetter an der Trainingsbluse und riß ihn zu sich heran.
»So — und jetzt wiederhole noch einmal, was du gesagt hast, du Scheißkerl!« Er drehte das Trikot in der Höhe des Kragens so zusammen, daß er Grafenstetter halb erwürgte.
»Ich habe gesagt«, keuchte der Bursche, die Augen vor Haß glitzernd, »daß dich Herr Pforten im Findelhaus aufgelesen hat und daß du damit aufhören sollst, mit ihm als mit deinem Vater anzugeben!«
Manfred schlug mit der linken Faust zu und ließ gleichzeitig den Griff der rechten Hand fahren. Grafenstetter taumelte zurück, duckte den nachfolgenden rechten Stoß ab und schoß vor; seine Faust traf Manfred über dem linken Auge. Der Ring mit dem Familienwappen der Grafenstetter riß ihm die Braue auf, und das Blut strömte über sein Gesicht. Alle Finessen vergessend, die ihnen Dr. Schwertfeger im Ring beigebracht hatte, drosch er auf Grafenstetter ein.
Drüben sprang Direktor Herterich empor, aber sein Eingreifen war nicht notwendig, denn Dr. Schwertfeger war schon bei den Kämpfern, die sich am Boden wälzten und wild aufeinander einschlugen, und riß sie, kunstgerechte Boxhiebe nach beiden Seiten austeilend, wütend auseinander.
»Seid ihr total wahnsinnig geworden?!« brüllte er die beiden Jungen an. »Euch hier wie die wild gewordenen Affen aufzuführen! Vor den Augen des Chefs und der Damen! Ich sage euch, ihr Burschen, das gibt noch ein Nachspiel! Was war hier los?!« Er brüllte Manfred an: »Antworten Sie, Pforten! Na los, wird’s bald? Ich habe deutlich gesehen, daß Sie als erster auf Klaus eingeschlagen haben!«
Manfred wischte sich mit dem bloßen Arm, denn er trug über der Trainingshose nur sein Trikot, das Blut aus dem Gesicht. Grafenstetter spie Blut auf den Rasen und hielt sich den Mund. Er prüfte mit zwei Fingern seine Vorderzähne, sie schienen zu wackeln.
»Sie wissen, Herr Doktor«, keuchte Manfred noch atemlos, »daß ich niemanden hinhänge. Aber dieser Schweinekerl...«
»Herrgott, Pforten!« zischte der Studienrat. »Ich hätte
Weitere Kostenlose Bücher