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Nelken fuers Knopfloch

Nelken fuers Knopfloch

Titel: Nelken fuers Knopfloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Hochsprung die Latte bei 1,78 zwar berührt, aber nicht gerissen, und lag damit an erster Stelle. Es waren nur noch zwei Konkurrenten, die ihm den Sieg streitig machen konnten. Dr. Schwertfeger, sein Klassenleiter, etwa dreißig Jahre alt und von den Jungen mit großem Respekt behandelt, weil er als Speerwerfer die deutschen Farben mehrmals international vertreten und zum Siege geführt hatte, klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter, während Manfred in seine braune Trainingshose schlüpfte, um sich die Muskeln warm zu halten.
    »Gut gemacht, Fredi! Wenn du den Hintern etwas höher hebst und dich flacher abrollst, schaffst du in diesem Jahr noch eins achtzig.«
    »Ich will’s versuchen, Herr Doktor.«
    Der Junge war genauso groß wie sein Lehrer und hatte Aussicht, die ideale Figur eines Zehnkämpfers zu bekommen. Er war trotz seiner Länge breitbrüstig und muskulös und lag auch in den Wurfdisziplinen an vorderer Stelle.
    Thomas, ein zart gebautes Bürschchen, der gerade seinen Achtzigmeterlauf mit einem mageren Ergebnis im Mittelfeld hinter sich gebracht hatte, trabte heran und ließ sich für einen Augenblick neben seinem Bruder auf die Knie nieder.
    »Na, Dicker, wie geht’s?«
    »Bis jetzt gut, Kleiner. Wenn es Klaus Grafenstetter nicht schafft, mach’ ich den Ersten.«
    Thomas spähte zur Hochsprunganlage hinüber.
    »Hat schon gerissen!« sagte er sachkundig. »Is ja auch ‘ne Flasche, der Grafenstetter. Kein Schmalz dahinter...«
    »Hau schon ab, Kleiner, dein Boß pfeift.«
    Tatsächlich pfiff hinten an der Weitsprunggrube Studienrat Dr. Hartlieb seine Horde mit einer Trillerpfeife zusammen. Thomas versetzte seinem Bruder eine herzlichen Tritt in den Hintern.
    »Mann, was freu ich mich auf Sachrang. Da muß Babette mir einen ganzen Eimer voll Vanilleeis machen, und den freß ich ganz alleine leer!« Er leckte sich bereits im Vorgenuß die Lippen und rannte davon.
    Herr Permaneder, der Postbote von Hartenstein (das Dorf Hartenstein lag etwa einen Kilometer von der Schule entfernt am Ufer des Hartensteiner Sees, in den die Jungen zum Baden gingen), erschien auf seinem gelben Dienstrad am Eingang des Sportplatzes. Er stieg auf eine komische Art ab, denn er benutzte dazu einen Verlängerungssporn an der Hinterachse, und marschierte zu den Zuschauerbänken, wo er den Direktor entdeckt hatte. Die Jungen begrüßten Herrn Permaneder mit Hallo, denn er brachte ihnen zuweilen jene kleinen Geldüberweisungen, mit denen Eltern sich von ihren Schuldkomplexen loszukaufen versuchten, daß ihre Söhne den Geburtstag oder andere Familienfeste außerhalb des Elternhauses verleben mußten. Diesmal brachte Herr Permaneder allerdings kein Geld, sondern an seiner Seite baumelte die schwarze Depeschentasche mit dem goldenen Posthorn. Der Chef des Hauses hob die Hand zum Gruß.
    »Grüß Gott, Herr Permaneder, was bringen Sie Schönes?«
    »A Telagramm für’n Herrn Pforten, Manfred, Herr Direktor.«
    Er überreichte Dr. Herterich den gelben Umschlag, wählte aus der dargebotenen Zigarrentasche mit Bedacht einen Vierzig-Pfennig-Stumpen und empfahl sich, indem er stramm zur Dienstmütze hochstach. Der Direktor gab das Telegramm an Fräulein Primula weiter: »Hier, Primelchen, bringen Sie es dem Pforten hinüber, er liegt bei den Hochspringern auf dem Rasen.«
    »Hoffentlich enthält es keine schlimme Nachricht!«
    »Hoffentlich nicht! Na, Sie werden es ja herauskriegen...«
    Fräulein Primula — nach Meinung von Frau Herterich, die der Chef allerdings nicht teilte, immer ein wenig zu leicht gekleidet — überquerte die Aschenbahn und winkte Manfred Pforten mit dem Fensterumschlag zu. Er zog die Beine an, um sie im Türkensitz zu empfangen. Das Getue mancher Kameraden um das Primelchen verstand er nicht. Zugegeben, sie hatte eine ganz ordentliche Figur, aber trotz der langen Beine war sie sportlich eine Niete; ihre Rückhand im Tennis war miserabel, und beim Schwimmen hatte er es längst aufgegeben, ihr einen anständigen Crawlstil beibrin-gen zu wollen.
    »Für mich, Fräulein Primula?«
    »Ja, Manfred, ein Telegramm.« Sie reichte ihm den Umschlag und blieb bei ihm stehen, bis er ihn aufgeschlitzt hatte. Die Nachricht schien erfreulich zu sein. Er bemerkte nicht, daß Klaus Grafenstetter hinter seinem Rücken auf den Telegrammtext schielte. »Eine gute Nachricht, Manfred?« fragte Fräulein Primula.
    »Ja, Primelchen, Onkel Marcel holt Tom und mich ab. Er will noch heute im Verlaufe des Nachmittags in Hartenstein

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