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Nelken fuers Knopfloch

Nelken fuers Knopfloch

Titel: Nelken fuers Knopfloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Fräulein Simpson deinem Vater mehr bedeuten könnte als eine kleine, heitere Verzierung auf seinem Jackenumschlag, verlaß dich drauf — sie würde nicht als Zuschauerin dabeisitzen! So großzügig ist sie wiederum auch nicht!«
    »Ich kann es auch nicht glauben!« sagte Manfred kopfschüttelnd. »Diese Ziege hält doch keinen Vergleich mit Mutti aus! Die sieht man doch neben ihr gar nicht! Findest du das nicht auch, Onkel Marcel?«
    »Ich bin genau deiner Meinung!« sagte Marcel und ließ eine mächtige Rauchwolke aus seinem Munde quellen, die seinen Kopf völlig einnebelte. Sollte er dem Jungen ein Privatissimum über die Vergänglichkeit aller leidenschaftlichen Gefühle durch Zeit und Gewohnheit oder über die Zerbrechlichkeit aller menschlichen Bindungen halten? Oder sollte er mit einem peinlich plumpen Beispiel Pforten mit einem Mann vergleichen, den es nach dem ständigen Genuß von Brot einmal nach einem Stück Kuchen gelüstete? Nun, Heliane war alles andere als hausbacken, und wenn Pforten auch auf das Sahnetörtchen Simone Appetit haben mochte, so hatte er ja soeben erst dem Jungen zu erklären versucht, daß er es nie verzehren würde. Also ließ er das ganze heikle Thema lieber unter den Tisch fallen.
    »Hast du sonst noch etwas auf dem Herzen, Fredi?«
    »Ja, Onkel Marcel«, antwortete Manfred und verhakte die Finger ineinander, »tagsüber hätte ich ja Gelegenheit genug, mit Mutti zu sprechen. Aber ich finde einfach den Absprung nicht...«
    Etiennes Stirn umwölkte sich, er ahnte, was kommen würde.
    »...und da habe ich gedacht, es wäre am besten, wenn du es ihr sagen würdest.«
    Die Pfeife begann zu gurgeln, der Rauch beizte Etiennes Zunge, er klopfte die Pfeife aus und legte sie in den Aschenbecher.
    »Wenn du es durchaus so haben willst, werde ich mit deiner Mutter sprechen.« Er überlegte dabei, ob er es wagen dürfe, an Manfred die Frage zu stellen, zu welchen Konsequenzen ihn das Wissen um seine Adoption inzwischen geführt habe, aber der Junge gab ihm die Antwort, ehe er seine Frage ausgesprochen hatte.
    »Weißt du, Onkel Marcel, was mich zuerst umgehauen hat, war die Tatsache, daß ich meine Geschichte von einem Dritten erfuhr, und dazu noch so gehässig serviert kriegte, als hätte ich silberne Löffel gestohlen. Aber als ich mir dann zu überlegen begann, weshalb die Eltern« — er zögerte nicht mehr vor dem Wort — , »es mir verschwiegen haben, da dachte ich mir, daß sie wohl gemeint haben, ich könnte annehmen, sie hätten mich nicht so gern wie Tom, oder ich könnte auf ihn eifersüchtig werden, oder sie beobachten, ob sie zwischen Tom und mir einen Unterschied machen...«
    Etienne hörte ihm mit großer Spannung zu.
    »Hast du jemals einen Unterschied in der Behandlung gemerkt, die sie dir und Tom zuteil werden ließen?«
    »Nein, Onkel Marcel, nie!« Er sprach es so entschieden aus, als hätte er die Vergangenheit inzwischen sehr genau durchforscht.
    »Es hat keinen Unterschied gegeben, und es wird auch in Zukunft keinen geben!« sagte Etienne nachdrücklich.
    »Das weiß ich, Onkel Marcel. Und deshalb wär’ es mir auch am liebsten, wenn ich es ihnen und mir ersparen könnte, daß du ihnen erzählst, ich wüßte, daß ich nicht ihr wirklicher Sohn bin. Aber ich möchte nicht, daß auch Tom es womöglich durch irgendeinen Klatsch in Hartenstein erfährt.«
    Er stand auf; und mit ihm erhob sich auch der Hund, streckte sich, daß er mit dem Bauch den Teppich berührte, zeigte gähnend das weiße Gebiß und die rote Zunge und ging gemächlich zur Tür, wo er auf Manfred wartete.
    »Gute Nacht, Onkel Marcel, und entschuldige, daß ich noch so spät zu dir gekommen bin...«
    »Unsinn, mein Junge, du weißt genau, daß ich für dich immer zu sprechen bin. Schlaf gut, ich werde mich auch gleich hinlegen.«
    Er öffnete auch das zweite Fenster und atmete, ehe er sich zu entkleiden begann, die frisch hereinströmende kühle Nachtluft in vollen Zügen ein. Die Landschaft lag dunkel und schweigend vor ihm. Kein Laut störte die große Stille. Wolken verdeckten die Sterne. Ein schimmerndes Rund ließ ahnen, daß der Mond voll am Himmel stand. Etienne sah, wie in Manfreds Zimmer das Licht aufflammte und bald danach erlosch. Er sah aber auch, daß die Fenster von Michaels und Helianes Schlafräumen noch von dem schwachen Licht der Leselampen erhellt waren, und einmal glaubte er Helianes Schatten in dem matt erleuchteten Viereck zu erkennen.
    Was sie für ein Glück gehabt haben, daß

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