Nelken fuers Knopfloch
lang, und wenn der Regen einmal nachließ, fegte ein herbstlich kalter Nordwestwind über die Felder, auf denen schon die ersten Roggengarben standen.
Etienne nutzte die Tage, indem er seine Notizen und Aufzeichnungen über seine letzten Ausgrabungen ordnete und das Buch zu konzipieren begann, in dem er der Bedeutung der Maya-Hieroglyphen einen breiten Raum widmen wollte. Er hatte in Chiapas das Diarium eines spanischen Priesters aus dem sechzehnten Jahrhundert entdeckt, in dem die Bildzeichen eines verschollenen Tempels aufgezeichnet und gedeutet waren, eines Tempels, den er wieder aufgefunden und vom Schutt vergangener Jahrhunderte befreit hatte. Mit den bereits bekannten letternartigen Schriftzeichen der Monatsnamen, Sternbilder und Zahlen boten sich ihm faszinierende Möglichkeiten, die Geheimnisse jener versunkenen Welt wenigstens zu einem Teil zu enträtseln.
Pforten stand mitten in den Dreharbeiten des neuen Films. Seine Rollen packten ihn jedesmal wie eine fiebrige Krankheit, die er loswerden mußte. Er spielte in diesen Tagen nicht nur den Clown Punch, sondern er identifizierte sich mit der Figur. Nicht etwa, daß er mit roter Nase und breitgeschminktem Mund in Sachrang auftauchte, aber er brachte die tiefe Melancholie jenes Mannes nach Hause mit, der sein Publikum allabendlich in der Zirkusmanege zu Lachstürmen hinriß, während sein Privatleben durch die Untreue der geliebten Frau in die Brüche ging.
Es war das alte Bajazzo-Motiv. Pforten arbeitete intensiv an seiner Rolle. Er konnte hitzig werden und Stiebeling, dem Drehbuchautor, böse Szenen machen, wenn dieser ihm Sprechtexte vorlegte, die sich nicht servieren ließen, oder ihm Szenen aufbaute, in denen er seiner Meinung nach lahm wirkte und sich nicht voll ausspielen konnte. Er forderte auch seinen Partnern alles ab und wiederholte Einstellungen, die ihm nicht genügten, auch dann noch zehnmal hintereinander, wenn Ruhland, der Regisseur des Films, schon zufrieden war und dem Klappenmann das Zeichen zur Aufnahme geben wollte.
Simone Simpson machte sich nach Pfortens Meinung in dem Streifen ausgezeichnet. Sogar Herr Bugatzki, dessen schwere Augenlider immer so müd und schäfrig wirkten, als langweile ihn der ganze Betrieb unsäglich, wurde bei der Vorführung der ersten Szenen munter und machte Pforten den Vorschlag, mit diesem Mädchen als Partnerin auch noch den nächsten Pforten-Film zu machen, der in der Jahresproduktion unter dem Titel »Männer mit grauen Schläfen« bereits angekündigt war, obwohl Pforten auf den Stoff ziemlich sauer reagierte. Es handelte sich dabei um das übliche Klischee, die Geschichte eines älteren Diplomaten, der mit seiner Frau in einer gleichgültigen Ehe lebt, eine junge Sekretärin engagiert, sich in sie verliebt, seine Scheidung durchsetzen will und schließlich resignierend zu seiner Familie zurückkehrt.
Simone Simpson, die von Stiebeling erfahren hatte, daß sie in dem neuen Projekt Bugatzkis für eine größere Rolle vorgesehen sei, war klug genug, Pforten damit nicht in den Ohren zu liegen, nachdem er ihr erkärt hatte, er lehne den Stoff ab, weil er in einer Resignation ende, die das Publikum veranlassen könnte, den Schauspieler Pforten mit der Figur, die er übernehmen sollte, zu identifizieren. Für Père-noble-Rollen hatte er seiner Ansicht nach noch gut zehn Jahre Zeit. — Da ihr nicht das Talent, wohl aber die Routine fehlte, brachte er sie jeden Tag, sobald das Tagespensum im Atelier abgedreht war, nach Sachrang mit und arbeitete mit ihr die für den folgenden Tag angesetzten Einstellungen mit unermüdlicher Geduld durch. Sie lernte von ihm in diesen Tagen mehr, als sie im zweijährigen Besuch der Schauspielschule mitbekommen hatte.
Der Hund Poldi hatte eine Drehpause. Seit der ersten Begegnung wich er Manfred nicht mehr von der Seite. Wo der Junge war, da war auch der Hund zu finden. Es war eine spontane Freundschaft, die so weit ging, daß Poldi seine Schlafdecke aus der Garage zerrte, wohin ihn Pforten für die Nächte verwiesen hatte, und sich mit ihr in Manfreds Zimmer einfand. Seitdem schlief er am Fußende neben Manfreds Bett und begleitete den Jungen, wenn das Wetter es zuließ, auf seinen weiten Spaziergängen und Streifzügen durch die Wälder und Felder in der Umgebung von Sachrang. Etienne beobachtete die plötzlich aufgetretene Neigung des Jungen, sich zum Einzelgänger zu entwickeln, mit einiger Sorge, und er wunderte sich ein wenig, daß Heliane nichts auffiel, aber er wollte
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