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Nelken fuers Knopfloch

Nelken fuers Knopfloch

Titel: Nelken fuers Knopfloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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hätte.«
    Sie zog den Karton heran und öffnete den Deckel, ein vergilbtes Seidenband hinderte ihn daran, ganz zurückzufallen. Der Inhalt der Schatulle bestand aus alten Zeitungsausschnitten, ein paar Fotos und etwa einem halben Dutzend sorgfältig beschrifteter Umschläge, die Urkunden enthalten mochten.
    »Ich erzähle dir jetzt etwas, was ich noch keinem Menschen anvertraut habe«, sagte Heliane und nahm Manfreds Hand in ihre warmen Finger. — »Marcel hat dir ja von jenem Unfall berichtet, der mich damals, als dieses Haus auf Sachrang fast vollendet war, um ein Haar das Leben gekostet hätte. Auch als man mich schließlich nach langem Krankenlager aus der Klinik entließ und zur weiteren Behandlung nach Sachrang transportierte, hatte ich keine Hoffnung, mich jemals wieder frei bewegen zu können. Der Gedanke, meine Zukunft im Rollstuhl verbringen zu müssen, mir selbst und Michael Pforten, mit dem ich damals gerade ein Jahr verheiratet war, zur Last — dieser Gedanke war so furchtbar, daß ich beschlossen hatte, meinem Leben selber ein Ende zu machen. Es war mir im Verlaufe einiger Wochen gelungen, zwei Dutzend Schlaftabletten beiseite zu legen.
    Daß Michael und Marcel zu jener Zeit irgendein Geheimnis miteinander hatten, merkte ich, aber sie verrieten mir nicht, weshalb sie seit Tagen mit dem Auto unterwegs waren. Ich war froh, wenn ich allein sein konnte und in ihren Augen kein Mitleid zu lesen und aus ihrem Mund keinen Trost zu hören brauchte, an den sie selber nicht glaubten. An einem Morgen, an dem sie sich wieder einmal von mir für den Tag verabschiedet hatten, beschloß ich, mich davonzumachen. Ich hatte mich mit dem Gedanken an das Ende so vertraut gemacht und sah ihm mit solcher Gelassenheit entgegen, daß die Ausführung meines Vorhabens nur noch eine Frage der günstigen Stunde war, in der es mir gelang, auch Fräulein Seelos, meine damalige Pflegerin, aus dem Hause zu entfernen.«
    »Mein Gott«, sagte der Junge erschüttert und preßte ihre Hand, »ich habe ja nicht geahnt, daß es dir so schlecht ging!«
    »Michael und Marcel verließen das Haus schon am frühen Morgen. Kurz nach dem Essen fuhr Babette mit dem Chauffeur in die Stadt, um den Wocheneinkauf zu besorgen, und es gelang mir tatsächlich, auch Fräulein Seelos zu überreden, die beiden zu begleiten und sich ein paar Lagen Wolle zu besorgen, denn sie war eine leidenschaftliche Strickerin und versorgte das ganze Haus mit Pullovern und Strickjacken. Aber in dem Augenblick, in dem ich die Tabletten in ein Glas schüttete und nach der Wasserkaraffe griff, um sie aufzulösen, hörte ich die Hupe des Austin, den Michael damals fuhr. Mir standen vor Enttäuschung, die einmalige Gelegenheit versäumt zu haben und mich wieder wochenlang weiterquälen zu müssen, die Tränen in den Augen. Michael und Marcel stürmten in mein Zimmer, sie legten mir ein Bündel aufs Bett und benahmen sich, daß ich im ersten Augenblick dachte, sie hätten zuviel getrunken. — >Die ganze Zeit hat er gebrüllt<, hörte ich Michael sagen, >ausgerechnet jetzt muß er schlafen!< Und Marcel: >Kneif ihn ein bißchen in den Podex, damit er munter wird und Heliane begrüßt.<
    Ich hob den Kopf, so gut ich es zu tun vermochte, und sah hinter Tränenschleiern das Bündel, das auf meinem Bett lag, und in dem Bündel den Kopf eines schlafenden Kindes, das zwei kleine Fäuste an die Ohren preßte.
    >Er heißt Manfred und wiegt vierundzwanzig Pfund und ist genau dreihundertunddreiundsechzig Tage alt. Obermorgen wird er ein Jahr, und wir dachten, es würde dir Spaß machen, ihm zu seinem ersten Geburtstag ein Licht auf der Geburtstagstorte anzuzünden.< Es war Michael, der es sagte, und Marcel fügte hinzu: >Am schnellsten eroberst du ihn mit Schokolade<.
    In dieser Sekunde aber schlugst du die Augen auf, zwei strahlend blaue Augen, gähntest herzhaft und zeigtest dabei vier winzige Zähne. Du sahst dich in dem fremden Zimmer um, schautest mich an und strecktest mir mit einem etwas zaghaften Lächeln die kleinen Hände entgegen. Es war Liebe auf den ersten Blick, von beiden Seiten, und es bedurfte nicht einmal der von Marcel empfohlenen Schokolade, um dich zu erobern. Ich ließ dich nicht mehr los, und mit dem Augenblick, in dem du ins Haus kamst, kehrte mein Wille zum Leben zurück. Es war wie ein Wunder. Nicht ich war es, die dir das Leben schenkte, du schenktest es mir. Wenige Wochen später spürte ich, daß meine Beine mir wieder gehorchten, daß ich mich bewegen konnte

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