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Nelken fuers Knopfloch

Nelken fuers Knopfloch

Titel: Nelken fuers Knopfloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Rädern alter Kinderwagen und dem defekten Motor eines vom Dorfschmied ausgeschlachteten Mopeds einen Rennwagen zu konstruieren. Manfred half ihm beim Bau der Karosserie. Sie hatten ihre Werkstatt in einer der unbenutzten Garagen eingerichtet und sägten, bosselten und hämmerten dort vom Morgen bis zum Abend. Manchmal erschien Etienne als Zuschauer. Handwerklich begabt, denn schließlich mußte er auf seinen Expeditionen oft genug alle möglichen Schäden reparieren, staunte er doch, was die Jungen mit den allerprimitivsten Mitteln zuwege brachten, und erwartete mit Spannung den Moment, in dem der >Rote Blitz< zum erstenmal starten sollte. Tom hatte das Fahrgestell nämlich mit roter Ölfarbe angestrichen. Daß Heliane einen Schreckensschrei ausstieß, als er mit rot triefenden Händen vor ihr auftauchte, war ein Zeichen für ihren schlechten Nervenzustand, denn sie glaubte natürlich, ein Messer sei ihm ausgerutscht und er sei bereits am Verbluten.
    Beim Mittagessen, das sie zu viert im Frühstückszimmer einnahmen, bat Heliane Manfred, Tom laufen zu lassen und sich in ihrem Zimmer einzufinden, da sie seine Hilfe brauche. Es klang, als hätte sie die Absicht, ein schweres Möbelstück umzustellen oder als sei ein Bilderhaken locker geworden.
    »Hat das nicht später Zeit, Mutti?« fragte Tom; er schlang seinen Schokoladenpudding herunter, als könne er es nicht erwarten, wieder an die Arbeit zu kommen. »Manfred muß mir doch helfen, den Motor einzubauen!«
    »Komm schon, Tom«, sagte Etienne, »ich opfere dir meine Siesta. Und wenn es dir gelingt, die Kistendeckel zum Fahren zu bringen, dann nehme ich dich auf meine nächste Expedition als Capo für den Fuhrpark mit. Na, ist das ein Angebot?«
    »Ich nehm dich beim Wort, Onkel Marcel!« Der Kleine grinste.
    Manfred folgte Heliane auf ihr Zimmer. Es war ein kleiner Raum neben ihrem Schlafzimmer. In den langen Monaten ihrer Rekonvaleszenz hatten hier ihre Pflegerinnen geschlafen. Pforten nannte das Zimmer mit zärtlichem Spott >Blaubarts Schreckens-kammer<. Heliane hatte es mit ein paar Möbelstücken und Bildern aus ihrem Elternhaus ausgestattet und Pforten zwar nicht verboten, aber auch noch niemals erlaubt, es zu betreten.
    »Was hast du da nur für Geheimnisse, Heli?«
    »Laß mir meine Geheimnisse, Michael. Aber wenn du es durchaus wissen willst: Hier beiße ich Tischkanten ab, wenn ich mich über dich ärgere.«
    Das ging zwischen den beiden so oft hin und her, daß Manfred als Fünfjähriger heimlich in das Zimmer geschlichen war, um den kleinen runden Tisch nach Spuren solcher Temperamentsausbrüche zu untersuchen; und er war ziemlich enttäuscht gewesen, die Platte völlig heil und unangeknabbert zu finden.
    »Setz dich, Fredi«, bat Heliane und deutete auf das grüne Sofa, auf dem es sich so bequem schmökern ließ. Er nahm gehorsam Platz, ein wenig steif und befangen, sein Blick zeichnete das Muster des Buchara nach, der den Boden bedeckte.
    Heliane ging an ihren Schreibschrank und zog die Platte nieder. Mit einem bunt bedruckten Geschenkkarton, der vor Jahren einmal eine Luxusseife oder feines Büttenpapier enthalten haben mochte, kam sie zum Tisch zurück und stellte den Karton darauf nieder.
    »Marcel hat mir alles erzählt, mein lieber Junge«, sagte sie und setzte sich neben ihn.
    »Ich habe mir schon gedacht, Mutti, daß du mit mir über diese Sache sprechen wolltest«, murmelte er.
    »Machst du mir Vorwürfe, daß ich es dir nicht früher gesagt habe, Fredi?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, denn ich weiß doch, daß du schon einmal einen Anlauf genommen hast, es mir zu erzählen, und daß ich es war, der dich daran hinderte...«
    Er schluckte verlegen, und eine Blutwelle färbte seine braune Stirn noch dunkler. »Ich glaubte, ich sei ein wenig zu früh auf die Welt gekommen... Du verstehst schon, Mutti...«
    Heliane streichelte seine Wange und schob eine blonde Haarsträhne, die ihm in die Stirn fiel, auf den Scheitel zurück.
    »Ich weiß es«, sie nickte, »und da fand ich einfach keinen Weg mehr, wie ich es dir sagen sollte. Ich verschob es von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr. Vielleicht fürchtete ich mich auch ein wenig davor, es dir zu erzählen. Ich wußte ja nicht, wie du es aufnehmen würdest. Zumindest hätte ich dir deine Unbefangenheit genommen, und so hoffte ich, die Entdeckung so lange hinauszögern zu können, bis du vollends erwachsen wärest und dein Weg dich, wie es das Leben nun einmal mit sich bringt, aus dem Hause geführt

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