Nelken fuers Knopfloch
aufschnupfend und preßte seinen Arm an ihre Brust.
»Ich kriege allmählich Übung in der Onkelrolle«, knurrte er, »aber habe ich es eigentlich nötig, euch allen den Kopf zurechtzusetzen? Findest du nicht, dein Herr Gemahl könnte sich gelegentlich ein bißchen um seine Familienangelegenheiten kümmern? Aber der hohe Herr dreht blödsinnige Filme und fördert junge Talente...«
»Daß du es nicht lassen kannst, dich an ihm zu reiben!«
»Er macht es mir wirklich schwer, nicht in die Luft zu gehen! Wenn ich an deiner Stelle wäre, dann würde ich ihn einmal ein paar Wochen lang im eigenen Saft schmoren lassen. Aber du liebst ihn ja...!« Er seufzte tief auf und ließ die Hände mit einer ergebenen Gebärde fallen, als gäbe er es auf, darüber nachzudenken, weshalb sie ihre Neigung ausgerechnet auf das seiner Meinung nach untauglichste Objekt verschwendete.
15
In der Halle zündete sich Etienne endlich die langentbehrte Pfeife an. Sein Bedarf an Familienszenen war für einige Zeit gedeckt, und da er seit Tagen nicht aus dem Hause gekommen und der Meinung war, ein Tapetenwechsel würde auch Heliane gut bekommen, schlug er ihr vor, sich hübsch zu machen und sich von ihm ausführen zu lassen. Heliane hatte gegen seinen Vorschlag nichts einzuwenden, im Gegenteil, sie freute sich darauf, einmal wieder eines ihrer guten Kleider anziehen zu können, denn auf Sachrang lief sie bei schönem Wetter im Badeanzug herum und bei schlechtem in Rock und Pullover. Nur war ihr der Gedanke, gerade heute Manfred sich selbst zu überlassen, unbehaglich. Aber ehe sie es noch ausgesprochen hatte, kam Etienne ihr mit der Frage zuvor, ob sie etwas dagegen einzuwenden hätte, Manfred mitzunehmen.
»Ich meine«, sagte er, als ob er sich entschuldigen müsse, »es wird Zeit, daß der junge Mann lernt, wie man eine Dame ausführt und charmant unterhält.«
Eine Stunde später verließen sie in Etiennes Wagen Sachrang. Thomas war mit der Montage des Motors viel zu beschäftigt, um zu meutern, daß er allein zurückbleiben mußte, und außerdem hatte ihm Etienne das feierliche Versprechen gegeben, mit ihm demnächst einen Bummel durch sämtliche Münchner Eisdielen zu unternehmen.
Die beiden Herren in grauen Freskoanzügen, weißen Hemden, dunkel gestreiften Krawatten und schwarzen Schuhen — niemand wäre darauf gekommen, sie nicht für Vater und Sohn zu halten — , führten eine strahlend schöne und fabelhaft elegante Heliane zum Souper. Bei ihrem Anblick brach Manfred ganz spontan in den bewundernden Ruf aus: »Mutti, du bist wirklich die schönste Frau der Welt!« Und Etienne konnte ihm nur anerkennend auf die Schulter klopfen und diesem Urteil beipflichten. Unter dem hellen, weiten Abendmantel trug Heliane ein hautenges Kleid aus schwerer Seide. Mit einem Rosenmuster, großen Blüten in dunkelroten und schwärzlichgrünen Farbtönen bedruckt, erhielt das Modell, das am Halse hochgeschlossen war, seinen verwirrenden Effekt durch einen Seitenschlitz am Rock, der etwas schwarze Spitze sehen ließ. Die Mode Chinas hatte zu diesem Kleid Pate gestanden, und ein winziger Schminkstrich an den äußeren Lidrändern verstärkte den Eindruck des Fernen Ostens in Helianes Erscheinung. Sie saß neben Etienne, während Manfred die ganze hintere Sitzbank für sich in Anspruch nehmen konnte.
»Wohin willst du uns führen, Marcel?«
»Zu alten Erinnerungen, meine Gnädigste. Als ein nicht mehr ganz knuspriger Dr. med. et phil. eine sehr knusprige und bildhübsche Musikstudentin in der Kunst unterwies, Austern nach ihrer Herkunft und Weine auf Lage und Jahrgang zu bestimmen.«
»Es ist im leider nie gelungen.«
»Und der Doktor warst du, Onkel Marcel, und die junge hübsche Dame war Mutti, nicht wahr?« fragte Manfred.
»Erraten!« Marcel nickte.
»Und weshalb hast du Mutti nicht geheiratet, Onkel Marcel?«
»Das habe ich mich inzwischen auch öfter gefragt.«
»Und ich meine, ihr beide hättet ein gutes Team abgegeben!«
»Vielleicht, mein Junge«, sagte Marcel leichthin, »aber du vergißt dabei, daß deine arme Mutter eine Art Seemannsehe hätte führen müssen. Man behauptet zwar, diese Ehen seien sehr glücklich, weil die Männer sich die meiste Zeit auf dem Wasser befinden und wenig Gelegenheit haben, ihre Frauen zu ärgern. Aber das wollte ich deiner Mutter und mir nicht antun.«
»Seemannsehe«, sagte der Junge, »na, ich finde, wenn Paps seine Gastspiele in Frankfurt und Hamburg absolviert, dann führt Mutti auf Sachrang auch
Weitere Kostenlose Bücher