Nelken fuers Knopfloch
schlenderte, die Hände in den Hosentaschen vergraben, über den Rasen davon.
Etienne starrte ihm nach, obwohl er ihn durch die Brille nur undeutlich sah und um so verschwommener, je weiter Manfred sich entfernte. Wenn es nicht früher Vormittag gewesen wäre, dann hätte er die größte Lust gehabt, einen doppelten Steinhäger zu kippen. So zog er es vor, gedankenvoll den Kopf zu schütteln.
17
Pforten kam mit zweitägiger Verspätung aus Frankfurt nach Sachrang zurück. Die Besprechungen über die Besetzung des Stückes hatten sich in die Länge gezogen, und so fuhr er erst nach fünf anstatt nach drei Tagen durch das Tor ein, das der Schmiedemeister Empfenzeder inzwischen in Ordnung gebracht hatte. Daß an der Verzögerung seines Eintreffens die Beharrlichkeit schuld war, mit der er den Widerstand des Intendanten zu bezwingen versucht hatte, Simone Simpson eine Rolle in Houstons >Onkel Humphrey< zu geben, verschwieg er natürlich. Wie immer, wenn er mit nicht ganz stubenreinem Gewissen heimkehrte, brachte er einen ganzen Sack voller Geschenke mit. Für Heliane ein Nerzkollier, für Etienne einen Satz ziemlich teurer englischer Pfeifen, und für Babette, die das Geschenk mit Tränen der Rührung empfing, einen kleinen Radioapparat, den sie sich für ihr Zimmer schon so lange gewünscht hatte.
»Wo sind die Jungen?«
»Am Mühlbach beim Fischen«, antwortete Etienne.
Nur ein Beobachter wie er, der Pforten und Heliane lange genug kannte, konnte feststellen, daß der Kuß, mit dem sie sich begrüßten, sehr kühl war, ein Bühnenkuß, von Pforten für Etienne als einzigen Zuschauer berechnet. Michael reckte die Arme, er dehnte den Brustkorb und sog die Luft geräuschvoll in die Lungen, als hätte er das Familienleben und Sachrang seit Monaten entbehrt und seit Monaten eine Luft ohne Sauerstoff atmen müssen. Er spielte seine Rolle sehr überzeugend, oder vielleicht war er sogar wirklich froh, wieder daheim zu sein. Denn wenn es auch ein wenig peinlich für ihn gewesen war, daß er seinen Einfluß auf Raimondi in Frankfurt überschätzt hatte und vor die sehr enttäuscht tuende Simone mit leeren Händen hintreten mußte, so war ihm diese Lösung im Grunde nicht ganz unwillkommen; denn der Umgang mit solch jungen und reichlich kapriziösen Geschöpfen war für einen Mann in seinen Jahren auf die Dauer doch recht anstrengend gewesen, denn er hatte ihr als Pflaster auf die schmerzende Wunde ein ziemlich kostspieliges goldenes Münzenarmband gelegt.
Die Jungen, die am Mühlbach angelten, der ein paar hundert Schritte vom Haus entfernt bereits auf Höringer Boden zwischen Erlengebüsch und verkrüppelten Weiden dahinströmte und einst im Dorf eine Hammerschmiede getrieben hatte, hörten das Hornsignal mit dem Pforten seine Ankunft auf Sachrang ankündigte. Die Forellen bissen weder auf Wurm noch auf Fliege, und die einzige halbpfündige, die Tom am Haken gehabt hatte, war ihm beim Einholen wieder entkommen. So packten sie ihr Angelgerät ein, verwahrten die Gerten in einer hohlen Weide und machten sich, da sie Hunger und Durst verspürten, auf den Heimweg. Thomas wußte, daß Babette eine Apfeltorte gebacken hatte, und Apfeltorte mit Schlagrahm war eine seiner Leidenschaften.
Pforten, der es sich auf der Terrasse in der Liegeschaukel bequem gemacht hatte und Heliane und Etienne von Frankfurt und von neuen Theater- und Filmplänen erzählte, entdeckte die Jungen zuerst und winkte ihnen entgegen. In seiner Tasche hatte er für Manfred eine automatische Armbanduhr und für Thomas eine Stoppuhr mitgebracht. Wegen der Stoppuhr, die er dringend wie nichts sonst auf der Welt brauchte, lag Tom ihm schon seit einem guten Jahr in den Ohren. Wahrscheinlich wollte er sich damit in Hartenstein wichtig machen. Er lief seinem Vater entgegen, während Manfred ein wenig zurückblieb, sich suchend umsah und schließlich auf zwei Fingern einen gellenden Pfiff losließ. Aber Poldi, dem der Pfiff galt, war wohl in der Küche.
»Nun ratet einmal, was ich euch mitgebracht habe«, sagte Pforten mit der Stimme eines Weihnachtsmannes.
Thomas schielte auf das kleine, in Seidenpapier eingewickelte Päckchen, das Pforten ihm in der linken Hand entgegenstreckte.
»Wo ist eigentlich Poldi?« fragte Manfred.
Heliane sah Etienne an, der sich nach Manfred umgedreht hatte.
»Poldi...«, sagte Pforten irritiert.
»Etwa ‘ne Stoppuhr?« fragte Tom, als wage er an sein Glück noch nicht recht zu glauben.
»Erraten, Tom!« Pforten überreichte
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