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Nelken fuers Knopfloch

Nelken fuers Knopfloch

Titel: Nelken fuers Knopfloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Wort mitbekommen zu haben.
    Etienne sah ihn fragend an.
    »Weshalb komisch?«
    »Du verstehst mich ganz genau, Onkel Marcel.«
    »Ach so, du meinst, er könne auf irgendeine Weise erfahren haben, daß wir...«Er schloß den Satz mit einer vagen Handbewegung.
    »Ja, das meine ich. Schließlich hast du dich beim Portier nach ihm erkundigt — und ich habe den Parkwächter gefragt, ob er den Poldi dabei hatte.«
    Ein Zündholz zerbrach zwischen Etiennes Fingern, das zweite zischte auf und erlosch, und erst mit dem dritten gelang es ihm, die frisch gestopfte Pfeife in Brand zu setzen.
    »Nun«, murmelte er, »dann möchte ich doch annehmen, daß er jetzt der Meinung ist, sich getäuscht zu haben.«
    »Ja, das glaube ich auch«, sagte der Junge und erhob sich, um auf sein Zimmer zu gehen. »Gute Nacht, Onkel Marcel.«
    »Gute Nacht, Fredi. Schlaf gut — und vergiß, wenn du kannst. Vergessen zu können ist eine Kunst, die man genauso üben sollte wie das Gedächtnis. Aber ich fürchte, sie ist doch schwerer.« Er hob die Hand und winkte dem Jungen einen Gruß zu.
    Manfred ging langsam zur Treppe. Vor der ersten Stufe blieb er noch einmal stehen und drehte sich um.
    »Du bist ein Mann, Onkel Marcel«, sagte er leise, »wie ich einmal einer werden möchte. Schade, daß du nicht mein Vater bist.«
    Etienne spürte eine Wärme in seinem Herzen, er mußte sich beherrschen, die Worte zurückzuhalten, die sich ihm auf die Zunge drängten, daß ihm nichts lieber wäre, als Manfred zum Sohn zu haben.
    »Komm noch einmal zurück!« sagte er statt dessen mit ein wenig belegter Stimme und starrte in die Glut seiner Pfeife. Er wandte nicht einmal den Kopf, als der Junge zögernd auf ihn zukam.
    »Komm, setz dich zu mir«, sagte er und rückte in seinem tiefen Sessel ein wenig zur Seite und bot dem Jungen die breite Polsterlehne zum Niedersetzen an. Er legte den rechten Arm freundschaftlich um Manfred.
    »Wie lange ist es eigentlich her, daß du jenem üblen Burschen, der dich und deinen Vater beleidigte, die Nase zerschlugst und dir selber ein blaues Auge holtest? Knappe vierzehn Tage, nicht wahr? Man sieht den Riß von seinem Ring noch immer in deinem Gesicht. Erinnerst du dich nicht mehr daran?«
    »Natürlich erinnere ich mich...«
    »Und ich erinnere mich daran, daß du, solange ich dich kenne, auf Michael Pforten nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Vater mächtig stolz warst und ihn für keinen anderen Vater eingetauscht hättest. Auch nicht für mich. — Und auf einmal ist es damit vorbei. Bevor ich das Treulosigkeit nenne, will ich dir sagen, was ich unter Treue verstehe: zu jemandem zu halten, auch wenn man enttäuscht wird — und ihn nicht eher zu verurteilen, als bis man die Gründe für sein enttäuschendes Verhalten genau geprüft hat. — Womit hat dein Vater dich nun so sehr enttäuscht?«
    »Das weißt du genausogut wie ich, Onkel Marcel!«
    »Ich verstehe. Er hat dich enttäuscht, weil du ihn bei einem Flirt mit einem hübschen jungen Mädchen erwischt hast, mit dem auch ich flirten würde, wenn mir der Typ läge und wenn ich dazu nicht zu alt wäre. Aber das nur nebenbei und um dir zu zeigen, daß auch ich kein Engel bin und bei Versuchungen solcher Art nie zu jenen Männern gehört habe, die unter Zurücklassung ihres Mantels die Flucht ergriffen, wie es seinerzeit Joseph in Ägypten bei Madame Potiphar tat. Diese Geschichte wird dir nicht unbekannt sein.«
    »Nein«, murmelte der Junge etwas verlegen, »davon habe ich noch nichts gehört, aber ich kann mir die Geschichte schon so ungefähr zusammenreimen...«
    Etienne sog an seiner Pfeife, aber sie gurgelte nur noch, ohne Rauch zu spenden, und er klopfte sie aus und verwahrte sie in seiner Tasche. Er hatte nicht das Gefühl, bei Manfred sehr viel erreicht zu haben.
    »Nun aber kommt noch etwas hinzu. Vielleicht bist du zu jung, um es zu verstehen, aber ich muß es auch auf die Gefahr hin aussprechen, daß du es noch nicht begreifen kannst. — Dein Vater befindet sich als Mann in einem Alter, in dem er spürt, daß der Wind auf der Bühne seines Lebens kühler zu wehen beginnt. Das ist ein sehr merkwürdiges Gefühl. Ich kenne es aus eigener Erfahrung. Es ist ein Gefühl der Angst, das die Brust beklemmt. Es ist die Furcht, nun hätte man seine beste Zeit hinter sich, und was vor einem läge, sei Alter und Tod. Und in dieser Furcht bäumt sich der Wunsch, zu leben und jung zu bleiben, noch einmal mächtig auf. Solange man so jung ist wie du, hält man

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