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Nelken fuers Knopfloch

Nelken fuers Knopfloch

Titel: Nelken fuers Knopfloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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doch nicht mehr, Tom aufzuhalten.
    »Was regst du dich eigentlich auf, Onkel Marcel?« fragte Manfred. »Tom hat noch nie ‘ne Bremse gebraucht. Dazu gibt es doch genug Bäume.«
    Thomas drehte eine Runde um das Schwimmbassin, um die Steuerung auszuprobieren. Der Rasen war zwar glatt, aber die ungefederten Räder schüttelten ihn doch gehörig durch, und Etienne sah, daß Tom den nach vorn rutschenden Sturzhelm mehrmals ins Genick zurückschieben mußte.
    »Wenn das nur keine Tragödie gibt!« stöhnte er verstört und preßte die Hand gegen sein rebellierendes Herz.
    Inzwischen hatte Tom die Ehrenrunde gedreht. Er schrie Etienne und Manfred zu, jetzt fahre er ins Dorf, Heliane und Babette entgegen. Er steuerte auf den Weg zurück und schaltete auf den zweiten Gang, um in flottem Tempo auf das Tor zuzufahren Ob nun die Selenzelle den Elektromechanismus, der das Tor beim Passieren des Lichtstrahls aufschwingen ließ, nicht auslöste oder ob der >Rote Blitz< für sie zu niedrig gebaut war, mußte einer späteren Untersuchung vorbehalten bleiben. Im felsenfesten Vertrauen darauf, daß die Torflügel sich öffnen würden, verminderte Tom die Geschwindigkeit nicht und krachte fünf Sekunden später auf das schmiedeeiserne Gitterwerk. Etienne und Manfred stürzten zu der Unglücksstelle hin. Die plötzliche Stille, denn der Motor schien den Zusammenstoß nicht vertragen zu haben, erschien Etienne von furchtbarer Vorbedeutung zu sein. Er glaubte aus den roten Seifenkistentrümmern einen schwerverletzten Tom herausziehen zu müssen. Aber wenn Thomas in irgendeiner Gefahr war, dann war es die Gefahr des Erstickungstodes — der Sturzhelm hatte sich ihm übers Gesicht geschoben, die Holzwolle sich wie ein Knebel in seinen Mund gepreßt, und er mühte sich mit beiden Händen ab, den Helmriemen über die Ohren zu zerren. Als ihm das gelang, spuckte er die Holzwolle aus den Zähnen, kletterte munter aus den Trümmern und schwenkte Etienne, der kurzatmig herankeuchte, triumphierend den roten Helm entgegen.
    »Achtunddreißig Kilometer, Onkel Marcel! Und dabei kam ich nicht mal dazu, richtig aufzudrehen. Ich sage euch, mit der Kiste schaffe ich glatt fünfzig! Wenn bloß dem Motor nichts passiert ist...«
    In der Erregung des Augenblickes verspürte Etienne nichts als den zwingenden Wunsch, dem Bengel, der ihm diese fürchterliche Minute bereitet hatte, eins hinter die Ohren zu geben. Aber er ließ die Hand, die schon nach hinten aus holte, wieder sinken.
    »Das nächstemal baust du eine Bremse ein, du Saukerl!« sagte er schwer atmend und verfiel in der Erregung in sein Schwyzerdütsch, das er hier sonst nur gebrauchte, wenn er Berner Witze erzählte. »Und jetzt schaff gefälligst den Unrat weg, damit deine Mutter nicht in Ohnmacht fällt, wenn sie den Trümmerhaufen sieht.«
    Während Tom das, was vom >Roten Blitz< übriggeblieben war, zur Garage zerrte, untersuchte Manfred das Tor. Äußerlich war ihm nichts anzusehen, aber als er es öffnen wollte, klemmte es so stark, daß es bei Helianes Rückkehr höchstwahrscheinlich ein neues Malheur gegeben hätte. Er öffnete die Flügel und sicherte sie mit Steinen ab. Etienne kehrte ins Haus zurück, um sich von den Aufregungen zu erholen. Er ließ sich in der Halle schweratmend in seinen Lieblingssessel fallen und griff nach den Morgenzeitungen, die der Briefträger inzwischen ins Haus gebracht hatte.
    Nach einer Weile gesellte sich Manfred zu ihm.
    »Am besten wird es sein, Onkel Marcel, wenn ich gleich ins Dorf radle und den Schmied hole, damit er das Tor in Ordnung bringt. Wenn es gut geht, merkt Mutti nicht einmal, daß etwas mit dem Tor nicht in Ordnung war.«
    »Schon gut, geh nur«, sagte Etienne abweisend und abwesend, denn er war gerade beim Leitartikel.
    Manfred schlenderte langsam auf die Terrasse zu. Im Vorübergehen knipste er das welke Blatt eines Rankengewächses ab, das sich quer über die Fensterwand zog. Er verzögerte seinen Abgang so offensichtlich, daß Etienne das Blatt sinken ließ und ihn über den Rand seiner Lesebrille hinweg ansah.
    »Hast du sonst noch was auf dem Herzen?« fragte er etwas liebenswürdiger.
    »Na ja, Onkel Marcel«, sagte der Junge, »wenn es bei Paps, wie du meinst, tatsächlich eine Art Krankheit ist...«, er hob die Schultern und ließ sie wieder fallen, »dann wird’s mit ihm ja eines Tages wieder werden. Aber wenn ich so zurückdenke, dann finde ich, daß es bei ihm ziemlich früh angefangen hat.«
    Er nickte Etienne zu und

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