Nelken fuers Knopfloch
bleibe am Hörer.« Er vernahm das Geräusch, das Clemente verursachte, als er das Telefon auf den Tisch legte, und er hörte Clementes Schritte, das öffnen einer Tür und die Stimme des Dicken, als er Leonhards Namen auf den Korridor hinausbrüllte. Aber er mußte lange warten, bis es Clemente gelang, Leonhard aufzustöbern. Dann hörte er Schritte, die sich dem Telefon näherten, und endlich Leonhards Stimme: »Was gibt es, Herr Pforten?«
»Wo haben Sie den Hund, Leonhard?«
»Den Hund? Ach so, Sie meinen den Hund. Was wollen Sie mit dem Hund, Herr Pforten? Die Szenen mit dem Hund stehen doch. Den Hund brauchen wir doch nicht mehr, oder?«
»Reden Sie keinen Schmonzes, Mensch!« zischte Pforten böse. »Ich will wissen, wo der Hund ist! Wollen Sie mir auf meine Frage gütigst antworten, zum Teufel?!«
Sekundenlange Stille. Pforten wischte sich die Stirn mit dem Handrücken. Ein Juckreiz. Im Apparat rührte sich nichts. Er hörte nicht einmal das Rauschen von Leonhards Atem.
»He, Leonhard! Sind Sie gestorben?«
»Ist mir unangenehm, Herr Pforten, wirklich, außerordentlich unangenehm — der Hund ist nicht mehr da.«
»Was sagen Sie da?«
»Tut mir leid, es Ihnen sagen zu müssen, Herr Pforten. Ich ahnte ja auch nicht, daß Sie sich noch einmal nach dem Hund erkundigen würden. Aber er ist mir weggelaufen. Vorgestern abend. Ich habe ihn noch einmal auf die Straße geführt, Sie wissen schon, Gassigassi — und plötzlich war er weg. Fort. Einfach verschwunden. Nützte kein Pfeifen und Rufen straßauf und straßab. Ich hab’ mir wirklich Mühe gegeben, aber...«
Für einen Moment ließ Pforten den Hörer sinken. Leonhards Stimme, neue Entschuldigungen stammelnd, rauschte noch immer aus dem Apparat.
»Halten Sie endlich den Rand und hören Sie zu!« sagte Pforten energisch. »Der Hund muß gefunden werden! Geben Sie in sämtlichen Zeitungen Inserate auf! Dicke Inserate! Große Inserate! Egal, was sie kosten! Inserate an auffallender Stelle, verstanden? Beschreiben Sie den Hund genau. Schreiben Sie, daß er auf den Namen Poldi hört. Hatte er sein neues Halsband um, als er Ihnen ausrückte?«
»Jawohl, Herr Pforten, hatte er.«
»Dann beschreiben Sie auch das Halsband! Und setzen Sie für den Finder eine Belohnung aus, eine Belohnung von hundert Mark — halt, warten Sie! — eine Belohnung von zweihundert Mark!«
»Setze ich dick über die Anzeige, Herr Pforten...«
»Los, Mensch, beeilen Sie sich! Die Anzeige hat morgen früh in den Zeitungen zu stehen!«
»Verzeihung, Herr Pforten — auf wessen Kosten?«
»Auf meine natürlich!« knurrte Pforten und legte auf. Er strich sich das Haar mit beiden Händen aus der feuchten Stirn nach hinten und blieb, die Fingerspitzen gegen die Schläfen pressend, neben dem Apparat stehen. Was konnte man noch tun? Ach was! Leonhard hatte den Hund verloren, jetzt sollte er zusehen, wie er ihn wieder herbeischaffte!
Er blickte auf und sah Etienne, der langsam die Treppe zur Halle hinunterstieg. Er ging ihm ein paar Schritte entgegen. Er sah sehr alt und müde aus.
»Du warst neulich mit Heliane und Manfred in Grünwald im >Vinum bonum<, nicht wahr?«
Etienne nickte. »Ich brauche dir wohl nicht zu versichern, daß es ein Zufall war. Aber es ist auch nicht mehr wichtig.«
»Es war auch wahrhaftig nichts dabei! Ich habe das Mädchen zum Essen ausgeführt und vor ihrer Haustür abgeladen.«
»Das ist doch völlig uninteressant«, murmelte Etienne, »für mich sowieso — uninteressant aber auch für Heliane.«
Pforten tastete sich zurück und lehnte sich an den Kamin. Hinter ihm tickte die Pendule in ihrem Glasgehäuse.
»Ich habe ja keine Ahnung davon gehabt, daß Manfred so sehr an dem Hund hängt...«
»Ich nehme an, er sah in ihm so etwas Ähnliches wie einen Schicksalsgenossen...«
»Das ist doch Verrücktheit!«
»Findest du?«
»Na hör einmal!« sagte Pforten erregt.
Etienne zündete sich eine Zigarette an, er hielt die Packung auch Pforten entgegen, aber Pforten schüttelte den Kopf.
»Ich finde, daß du von manchen Dingen keine Ahnung hast«, sagte Etienne und blies den ersten Zug mit spitzen Lippen aus der Lunge.
»Fang schon an! Oder ist mein Sündenregister so lang, daß du dir für deine Predigt erst eine Gliederung machen mußt?«
»Keine Predigt und keine Vorwürfe, Michael. Was hätte ich auch für ein Recht, dir eine Predigt zu halten? Es ist eine Feststellung, nicht mehr. Mit Geld und mit Geschenken erkauft man sich Dienstleistungen,
Weitere Kostenlose Bücher