Nelson, das Weihnachtskaetzchen
dieser Situation absolut das Falsche. Sie musste etwas tun, um Nelson zu suchen. Aktiv werden.
»Ich könnte mit Marie die Tierheime abfahren«, schlug Anna vor.
»Aber die Leute vom Tierheim hätten uns längst angerufen, Anna. Die wissen auch, dass Katzen so einen Chip tragen können.«
»Trotzdem. Wir sollten alles probieren. Vielleicht haben sie ja den Chip einfach übersehen. Am besten, wir gehen hin und sehen selber nach, ob eine der Katzen Nelson ist. Außerdem ist es für Marie wichtig, dass wir etwas unternehmen.«
»Ach, Anna.« Dorothee lächelte dankbar. »Willst du das wirklich für uns tun? Du hast doch sicherlich mit deiner eigenen Familie genug zu tun.«
Anna machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach was, das mache ich gern. Wirklich.«
Dorothee nahm sie kurz in den Arm und bedankte sich noch einmal. Dann wandte sie sich ab und lief die Treppe zum Kinderzimmer hoch.
»Marie! Komm schnell runter! Anna ist da, sie will mit dir nach Nelson suchen!«
Anna blieb im Hausflur stehen und wartete. Ihr Lächeln gefror jetzt ein wenig. Sie wollte Dorothee lieber nicht sagen, was sie Marie für ein Versprechen gegeben hatte. Denn damit hatte sie alles nur noch schlimmer gemacht, sollte Nelson tatsächlich überfahren worden sein. Und welche Mutter hörte so etwas schon gern?
Am frühen Abend kehrten Anna und Marie von ihrer Rundreise durch die Tierheime zurück. Nach der anfänglichen Begeisterung hatte sich Ernüchterung eingestellt. In keinem der Tierheime war Nelson gewesen, und sie waren wieder an dem Punkt, wo sie wenige Stunden vorher gewesen waren. Marie saß ganz still auf dem Rücksitz und blickte aus dem Fenster. Sie machte Anna keinerlei Vorwürfe, dass sie ihr Versprechen nicht einhalten konnte. Als wäre es völlig normal, dass Erwachsene Dinge versprachen, die sie später nicht hielten. Anna wollte das nicht auf sich sitzen lassen. Sie musste irgendetwas tun, um Marie Hoffnung zu geben.
Sie betrachtete das Mädchen im Rückspiegel. »Glaub mir, das muss noch gar nichts bedeuten. Dann ist Nelson eben nicht ins Tierheim gekommen. Er kann trotzdem überall sein. Wir müssen weitersuchen.«
Marie stieß ein leises Brummen aus. Offenbar überzeugten diese Worte sie nicht sonderlich.
»Kopf hoch, Marie. Ich hab auch schon eine Idee, wie wir weitermachen können.«
Im Rückspiegel sah sie, wie in Maries Gesicht ein Funken Hoffnung aufblitzte. Anna spürte Erleichterung.
»Nelson ist vielleicht bei jemandem untergekommen«, fuhr sie fort, »der gar nicht weiß, dass man entlaufene Katzen ins Tierheim bringt. Oder Nelson hat irgendwo ein Versteck gefunden, wo er sich vor der Kälte schützen kann und was zu fressen hat. In beiden Fällen muss ihn einer gesehen haben. Nelson kann sich ja nicht unsichtbar machen. Wir müssen also nur die Leute finden, die ihn gesehen haben könnten. Die können uns bestimmt Hinweise geben, wie wir Nelson aufspüren können. Vielleicht finden wir sogar denjenigen, der Nelson bei sich aufgenommen hat.«
Maries Stimme war leise und belegt. »Und wie sollen wir das machen?«
»Du hast doch bestimmt ein Foto von Nelson, oder?«
»Ja. Mama hat ganz viele Fotos gemacht, damit ich die mit in den Urlaub nehmen kann.«
»Hervorragend! Dann machen wir Plakate mit diesen Fotos, kopieren sie und hängen sie rund um den Alexanderplatz an Laternenpfähle und in Schaufenster. Überall da, wo Nelson gewesen sein könnte.«
»Und dann kommt Nelson wieder?«
»Na ja, wenn ihn einer am Alexanderplatz gesehen hat, wird der sich vielleicht bei uns melden. Und danach wissen wir mehr. Und mit etwas Glück finden wir sogar denjenigen, bei dem Nelson jetzt lebt. Falls er tatsächlich irgendwo untergekommen ist.«
Marie dachte nach. Ihre Stimmung hellte sich ein wenig auf. »Fangen wir gleich damit an?«, fragte sie.
»Nein, jetzt ist es zu spät. Du musst doch gleich ins Bett, und ich muss für meine Familie Abendessen machen. Aber morgen Mittag fangen wir an, wenn ich von meiner Arbeit zurück bin und wir gegessen haben. Was meinst du? Sollen wir es so machen?«
Sie nickte eifrig. »Bestimmt kommt Nelson dann ganz bald wieder«, sagte sie. »Er muss nur noch diese Nacht abwarten, dann werden wir ihn finden.«
Anna lächelte. »Ein paar Tage kann es schon noch dauern. Aber wir fangen morgen an, die Plakate aufzuhängen. Das ist schon mal ein erster Schritt. Und dann sehen wir weiter.«
Als sie Marie wenig später zu Hause ablieferte, wunderte sich Dorothee Grünberg über die
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